Am 9. März jährt sich eines der folgenschwersten Ereignisse in der Geschichte Europas: Als erste westliche Demokratie begann Italien das unerprobte Seuchenschutzmodell eines totalitären Regimes nachzuahmen. Um der Corona-Pandemie zu begegnen, verfügte Rom landesweit einen monatelangen strikten Lockdown. Damit setzte eine Kettenreaktion ein: Sobald dieser erste Dominostein kippte, fielen weitere. Wenig später strebten so gut wie alle übrigen EU-Staaten danach, sich gesundheitspolitisch in eine rotchinesische Exklave zu verwandeln.
Italien müsse ab Mitternacht zur „Schutzzone“ werden, so verfügte Ministerpräsident Giuseppe Conte am 9. März um 21 Uhr – nach rund 9000 positiven Tests auf SARS-CoV-2 sowie 463 Todesfällen, die als Covid-19-Opfer galten.
Von diesem Tag an verwandelte sich ganz Italien, bis dahin ein gefestigter demokratischer Rechtsstaat, in ein geradezu surreales Duplikat der chinesischen Provinz Hubei. Was zuvor bereits für einzelne Gemeinden, Provinzen und Regionen beschlossen worden war, galt nunmehr fürs ganze Land: Schulen und Universitäten schlossen, Kinos und Theater ebenso. Kurz darauf folgten Geschäfte und Gaststätten, schließlich Betriebe. Versammlungen und Veranstaltungen wurden untersagt; Maskenzwang und Social Distancing, Ausgangssperren, Quarantänen und Reiseverbote wurden verfügt. Auf zeitweilige Lockerungen im Sommer 2020 folgten ab Herbst erneute, teilweise noch verschärfte Hygieneauflagen, abermals nicht bloß für Risikogruppen, Erkrankte und ihre engeren Kontaktpersonen, sondern für die gesamte Bevölkerung.
Was veranlasste die Regierung Conte dazu? Wissenschaftliche Studien, die den alternativlosen Nutzen von Lockdowns belegten, lagen ihr nicht vor. Denn es gab keine. Bis heute stehen sie aus. Rom ließ sich verführen, wie bald darauf auch Berlin und Paris, Madrid und London.
Wie Italien verführt wurde
Zum einen beeindruckten Italiens Regierung voreilige Lobeshymnen und Empfehlungen des chinafreundlichen WHO-Generaldirektors. Am 29. Januar 2020 hatte in Wuhan, dem mutmaßlichen Epizentrum der Pandemie, eine Massenquarantäne gerade erst begonnen. Doch schon tags darauf pries Tedros Gehebreyesus die Volksrepublik China dafür, dass sie mit der Abriegelung, "beispiellos in der Geschichte der öffentlichen Gesundheit", einen „neuen Standard für die Reaktion auf den Ausbruch gesetzt" habe. Keinen Monat später kam eine von der WHO in China durchgeführte „gemeinschaftliche Mission“ zu dem Ergebnis, Pekings radikale Maßnahmen seien bestens geeignet, das Virus einzudämmen. (1)
Darüber hinaus erzeugte eine Propagandawelle in sozialen Medien reichlich Druck.
Bevor und während Italien den Wuhan-Lockdown nachahmte, tat es das unter Dauerbeschuss durch chinesische Desinformation mit alarmistischen Posts, gruseligen Filmchen und Schnappschüssen. Zwischen dem 11. bis 23. März stammten rund 46 % der Tweets mit dem Hashtag #forzaCinaeItalia („Auf geht´s, China und Italien!“) von Bots, beim Hashtag #grazieCina („Danke, China“) lag ihr Anteil bei 37 %.
Zudem drängten eilends angereiste chinesische Experten dazu, aus ihrem vermeintlichen Erfahrungsschatz zu schöpfen. Am 12. März eingetroffen, rieten sie schon zwei Tage später dringend dazu, die eingeleiteten Maßnahmen noch drastisch zu verschärfen: „Es gibt immer noch zuviele Leute auf den Straßen, wie auch verbesserungswürdige Verhaltensweisen.“
Am 19. März hatte der Vizepräsident des Chinesischen Roten Kreuzes, Sun Shuopeng, einen vielbeachteten Auftritt bei einer Pressekonferenz in Mailand. Italiens Lockdown, so bemängelte er, sei „nicht streng genug. Hier in Mailand, dem am stärksten von Covid-19 betroffenen Gebiet, gibt es keine sehr strikte Abriegelung. Die öffentlichen Verkehrsmittel funktionieren noch, und die Menschen bewegen sich noch, man isst noch zu Abend und feiert in den Hotels, und man trägt keine Masken.“ Dies alles müsse strengstens verboten werden – für ausnahmslos alle. „Wir brauchen jeden Bürger, der sich am Kampf gegen Covid-19 beteiligt und dieser Politik folgt.“ Die Italiener müssten jegliche "wirtschaftlichen Aktivitäten stoppen“ und ihre „Mobilität einschränken", indem „jeder einfach zu Hause bleiben“ solle. Ein Korrespondent der Nachrichtenagentur International Business Times zog daraus den vermeintlich zwingenden Schluss: Zwar sei Italien „eine freie demokratische Republik“ - aber „vielleicht muss sie für eine Weile eine chinesische Philosophie annehmen“.
Dass seine Expertenratschläge scheinbar in fürsorglicher Absicht erfolgten, unterstrich China durch blumige Beteuerungen und großzügige Gesten. Sein Botschafter in Rom, Li Junhua, erklärte, Italien habe China in der Vergangenheit geholfen; nun stehe es China zu, im Namen der großen Freundschaft die Hilfe zu erwidern. Er erinnerte an zwei chinesische Patienten, die im Institut Lazzaro Spallanzani behandelt und geheilt wurden, sowie an den italienischen Flug vom 15. Februar 2020 mit 18 Tonnen Sanitärausrüstung für Wuhan. Im Gegenzug schaffte das Chinesische Rote Kreuz nun 31 Tonnen Atemgeräte, Überwachungsgeräte, zehntausende Schutzanzüge und Atemmasken sowie Medikamente nach Rom. (2) Der chinesische Internetgigant Alibaba spendete eine Million Atemschutzmasken und 100.000 Testkits an das italienische Rote Kreuz. (3)
Den Weg bereitet hatte Chinas Allmächtiger Xi Jinping höchstpersönlich, als er Italien im März 2019 einen pompösen Staatsbesuch abstattete. Als erstes westliches Land schloss sich Italien bei diesem Anlass Chinas gigantomanem Investitions- und Infrastrukturprojekt „Neue Seidenstraße“ an, mit dem Pekings Kommunisten die globale Handelsordnung auf den Kopf stellen wollen. (4) Man unterzeichnete 29 Verträge im Wert von 2,5 Milliarden Euro, die Italiens lahmende Wirtschaft ankurbeln helfen sollen. Geschichtsbewusst gedachte Xi bei dieser Gelegenheit des venezianischen Händlers Marco Polo, der schon vor sieben Jahrhunderten in Italien „die erste Leidenschaft für China“ entzündet habe. Diese uralte Glut sei nun neu entflammt.
Wer widersteht schon einer solchen Charmeoffensive, zumal in vermeintlich höchster Not?
Dabei hätte es von Anfang an beste Gründe gegeben, das rotchinesische Sozialexperiment umgehend zu beenden, anstatt stur an ihm festzuhalten. Sie wurden ignoriert – fahrlässig, vielleicht sogar vorsätzlich, um eine insgeheime Agenda hinter der Plandemie weiterzubetreiben:
1. Worauf sich Italiens Lockdown-Befürworter beriefen – überlastete Kliniken, sprunghaft steigende Todeszahlen -, hatte in Wahrheit andere Ursachen als ein grassierender „Killerkeim“. Wer sie anzusprechen wagte, stand als „Verharmloser“ am Pranger.
2. Frühzeitig belegten internationale Vergleichsstudien: Lockdowns sind weitgehend wirkungslos und kontraproduktiv, in Italien wie anderswo. Ihr mutmaßlicher Nutzen steht in krassem Missverhältnis zu den gesundheitlichen, wirtschaftlichen und sozialen Schäden, die sie anrichten. Länder wie Schweden, Südkorea, Japan sowie mehrere US-Bundesstaaten, die darauf verzichten, fahren keineswegs schlechter.
Dem ersten Punkt widme ich einen gesonderten KLARTEXT: „Was steckt hinter Italiens Corona-Horror?“
Wie steht es mit dem zweiten Punkt: Was hatte Italien davon, rotchinesischen Hygieneterror gegen die gesamte Bevölkerung nachzuahmen?
Die Krise habe «sehr hohe menschliche, soziale und wirtschaftliche Kosten» mit sich gebracht, wie Regierungschef Conte einräumte – einen „beispiellosen Schock“ habe sein Land erlebt. Italien rutschte in die schlimmste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg. Im Pandemiejahr 2020 brach das Bruttoinlandsprodukt um rund zehn Prozent ein. (5) Fast 450.000 Menschen verloren ihren Job. 240.000 italienische Firmen mussten ihre Geschäftstätigkeit einstellen. (6) Bis Mai 2020 waren 3,7 Millionen Arme auf Lebensmittelhilfen angewiesen, eine Million mehr als ein Vierteljahr zuvor; zu den „neuen Armen“ Italiens zählten Arbeitslose, Familien ohne Ersparnisse, aber auch Kleinhändler und Handwerker, die schließen mussten.
Aber war die Rettung von Menschenleben nicht jedes Opfer wert?
Dieser angebliche Nutzen wird immer fragwürdiger. Dazu genügt ein Vergleich mit lockdownlosen Ländern wie Schweden, die ihre freiheitlich-demokratische Verfassung nicht einem rotchinesischen Social-Engineering-Feldversuch opfern wollten.
Harald Wiesendanger
Anmerkungen
(1) Lars Fischer: „Covid-19: Wie China das neue Coronavirus ausbremste“, Spektrum.de, 3.3.2020, https://www.spektrum.de/news/wie-china-das-neue-coronavirus-ausbremste/1709842; Berit Uhlmann: „Coronavirus – WHO-Bericht lobt Chinas Reaktion“, Süddeutsche Zeitung, 2.3.2020, https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/coronavirus-china-quarantaene-reisebeschraenkung-1.4827927; Fabian Kretschmer: „Propaganda: Xi Jinping gibt sich als Corona-Bezwinger“, RP online, 10.3.2020, https://rp-online.de/politik/ausland/chinas-praesident-gibt-sich-als-corona-bezwinger_aid-49482069; Lea Deuber: „Wie die WHO Lobeshymnen auf China singt“, Süddeutsche Zeitung, 14.3.2020, https://www.sueddeutsche.de/politik/coronavirus-china-who-1.4844104; STAT News: „WHO praises China's response to coronavirus, will reconvene expert panel“, 29.1.2020, https://www.statnews.com/2020/01/29/who-reconvene-expert-committee-coronavirus/; Sarah Karlin-Smith: „U.S. officials praise Chinese transparency on virus — up to a point“, Politico, 29.1.2020, https://www.politico.com/news/2020/01/29/officials-praise-china-transparency-virus-108926.
(2) Fabrizio Caccia: „I ricercatori cinesi portano in dono a Roma l’antivirale di Wuhan“, corriere.it. 13.3.2020, https://www.corriere.it/video-articoli/2020/03/13/i-ricercatori-cinesi-vi-abbiamo-portato-plasma-gli-anticorpi/2051fc5a-6540-11ea-86da-7c7313c791fe.shtml
(3) „Coronavirus: Von Armani bis Berlusconi, VIPs spenden für Spitäler“, kurier.at, 18.3.2020, https://kurier.at/stars/coronavirus-von-armani-bis-berlusconi-vips-spenden-fuer-spitaeler/400785002
(4) https://www.dw.com/de/italien-liegt-jetzt-an-chinas-seidenstra%C3%9Fe/a-48037795; https://www.zdf.de/nachrichten/heute/italien-will-sich-an-chinas-initiative-fuer-neue-seidenstrasse-beteiligen-100.html; https://www.sueddeutsche.de/politik/xi-jinping-in-italien-chinas-brueckenkopf-in-europa-1.4363118
(5) https://www.nau.ch/news/wirtschaft/italiens-regierungschef-nennt-wirtschaftliche-coronafolgen-beispiellosen-schock-65723535; https://kurier.at/chronik/welt/vor-einem-jahr-begann-der-corona-albtraum-in-italien/401190958; https://www.tagesschau.de/ausland/draghi-italien-vertrauensfrage-103.html
(6) Filippo Poltronieri u.a.: „Mafia in Italien: Kampf um Rom“, www.spiegel.de/politik/ausland/mafia-in-italien-kampf-um-rom-a-00000000-0002-0001-0000-000174874894.
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