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Dr. Harald Wiesendanger

Bist du ein „Vor-Verbrecher“?

Ein amerikanisches IT-Unternehmen hat eine Software entwickelt, die Verbrecher aufspüren soll, ehe sie es werden. Dazu analysiert sie, was Menschen im Internet tun – ein perfektes Kontrollwerkzeug der näherrückenden „Neuen Weltordnung“. Polizei, Geheimdienste und Militär testen es bereits.


Das Tech-Startup Voyager Labs unterstützt Strafverfolgungsbehörden dabei, anhand unserer Posts, Interaktionen und Zugehörigkeiten in sozialen Medien festzustellen, ob wir uns eines pre-crime schuldig machen, eines „Vorverbrechens“ - indem wir etwas Kriminelles "planen" oder zumindest dazu neigen. Die Softwareschmiede gehört zu einer wachsenden Zahl von Unternehmen, die behaupten, mittels Analysen des Nutzerverhaltens im Internet strafbare Delikte vorhersagen und aufklären zu können.


Das Brennan Center for Justice, eine gemeinnützige Organisation in New York, erreichte die Herausgabe von brisanten Unterlagen über Voyagers Kundenkreis. Diesen zufolge nutzt die US-Polizei die Software bereits seit Jahren, um Personen zu ermitteln und zu überwachen, deren Aktivitäten in sozialen Medien auf mögliche Straftaten schließen lassen. Dazu genügt es, einen Instagram-Namen zu verwenden, der arabischen Stolz zeigt, oder Tweets über den Islam abzusetzen; Voyager wertet sie als Anzeichen für eine „mögliche Neigung zum Extremismus“. Auch kann sie dazu dienen, eine beliebige Gruppe, die als verdächtig, gewaltbereit und staatsgefährdend gilt, ins Visier zu nehmen. Strafverfolgungsbehörden ermöglicht sie sogar, Gruppen und private Konten mittels gefälschter Identitäten zu infiltrieren.


Voyager erlaubt es, anhand öffentlich zugänglicher Informationen „Profile“ zu rekonstruieren. Das schließt ein, Häufigkeit, Art und Stärke der Verbindungen von Menschen in sozialen Medien „aufzudecken“. Das Tool soll Personen identifizieren, die „am stärksten in eine gewisse Haltung investiert sind: emotional, ideologisch und persönlich".


Das Ausspähen hinterlasse keinerlei Spuren, so versichert der Hersteller.


Vor neun Jahren gegründet, residiert Voyager Labs in New York, nur ein paar Schritte vom Central Park entfernt. Inzwischen unterhält das Unternehmen Niederlassungen in der ganzen Welt, darunter in Washington, Singapur, Großbritannien und Israel. Es gehört zu einer wachsenden Zahl von Technologiefirmen, die sich mit der Analyse sozialer Medien für die Strafverfolgung befassen.


Die Voyager Labs sind ein kleiner Fisch in einem großen Teich. Zu ihren rührigen Wettbewerbern zählen Babel Street, Digital Stakeout, Cobwebs, Palantir, Media Sonar, Dataminr, Palantir, PredPol, Snaptrends und Geofeedia. Auf ihren Kundenlisten stehen unter anderem das US-Heimatschutz- und Justizministerium; das US-Militär, Geheimdienste und FBI; die Polizei von New York, Chicago, Seattle und mehreren weiteren Städten. Kein soziales Medium ist vor ihnen sicher: Von Facebook über Twitter und Instagram bis YouTube, Google+, Flickr, Snap, TikTok, VK, Reddit, 4chan und 8chan durchleuchten sie jedes, wie auch “Nischenblogs und Foren”.

Die Technologie, die diese Firmen anbieten, sind für Strafverfolger verlockend, weil sie die Verbrechensbekämpfung automatisieren und beschleunigen kann. Das ist kein dystopischer Zukunftstraum – es geschieht bereits. Aus den Unterlagen, die sich das Brennan Center beschaffen konnte, geht hervor, dass die Polizei von Los Angeles (LAPD) zwischen Juli und November 2019 bereits einen viermonatigen Test der Voyager-Tools durchführte. Anschließend verhandelte es mit den Labs über einen dauerhaften Vertrag. Daraufhin bot Voyager ihr zum Vorzugspreis von 453.560 US-Dollar, incl. 50 % Rabatt, eine dreijährige Software-Lizenz an, die 25 Usern unter anderem bis zu 31.500 personenbezogene Einsätze pro Jahr erlaubt.


Die LAPD hat auch schon mit anderen Unternehmen dieser Art zusammengearbeitet oder eine Kooperation zumindest in Erwägung gezogen.


Muslimbruder als Vorzeigefall


Was Voyager kann, führen seine Entwickler gerne am Beispiel (1) eines New Yorker Aktivisten einer Muslim-Bruderschaft vor. Im März 2020 hatte er ein Video gepostet, in dem er Follower aufforderte, Mitglieder der ägyptischen Regierung mit dem Covid-19-Erreger zu infizieren.


Daraufhin nahm Voyager all seine Freunde ins Visier. Es spürte seine closest connections auf - Accounts, die mit seinem Profil besonders ausgiebig interagierten -, wie auch mediators, eng Verbundene, die auch in starker Beziehung zu seinen anderen Freunden standen. Darüber hinaus ermittelte Voyager alle friends of friends, auf der Suche nach indirect connections zu Leuten, die eine „extremistische Bedrohung“ darstellen könnten. Innerhalb dieses Netzwerks machte Voyager tatsächlich Personen ausfindig, die im Regierungsapparat tätig waren, weshalb sie leichteren Zugang zu Offiziellen hatten.


Das Prinzip: „Schuldig-durch-Verbindung“


Laut Dokumenten, welche die britische Tageszeitung The Guardian aus dem Brennan-Material veröffentlichte, verwendet Voyager ein "Schuldig-durch-Assoziation"-Modell.„Die Software sammelt alle öffentlichen Informationen über eine Person oder ein Thema - einschließlich Beiträgen, Kontakten und sogar Emojis -, analysiert und indexiert sie und vergleicht sie dann in einigen Fällen mit nicht-öffentlichen Informationen“. Daraus erstellt sie „eine Topografie der gesamten Social-Media-Existenz einer Person“.


"Die Software zeigt an, wie jemand mit anderen verbunden ist, wie stark diese Beziehungen sind und welche ‚indirekten Verbindungen‘ bestehen, etwa bei Personen mit mindestens vier gemeinsamen Freunden.“ Das System katalogisiert nicht nur die Kontakte einer Person, sondern auch alle Inhalte oder Medien, die diese Kontakte gepostet haben, einschließlich Statusaktualisierungen, Bilder und Geotags. Auch Freundschaften zweiten und dritten Grades bezieht es mit ein, um "bisher unbekannte Mittelsmänner oder Fälle unzulässiger Verbindungen aufzudecken". Selbst wenn jemand, der mittels Voyager-Software verfolgt wird, einen Freund oder einen Beitrag aus seinem eigenen Account löscht, bleibt dies in seinem Voyager-Profil archiviert.


„Ideologische Solidarität“ wird verdächtig


Die Firma behauptet, sie könne "Stimmungsanalysen" in Echtzeit durchführen, jemandes sozialen Aufenthaltsort“ bestimmen und neue Hinweise bei der Untersuchung "ideologischer Solidarität" liefern.


"Wir verbinden nicht nur bestehende Punkte", so heißt es in einem Werbedokument von Voyager. "Wir schaffen neue Punkte. Was wie zufällige und belanglose Interaktionen, Verhaltensweisen oder Interessen erscheint, wird plötzlich klar und verständlich."


Ein Dienst, den das Unternehmen VoyagerDiscover nennt, präsentiert soziale Profile von Menschen, die sich "in ihrem Herzen am stärksten mit einer Haltung oder einem bestimmten Thema identifizieren". Dem Unternehmen zufolge berücksichtigt das System persönliches Engagement, emotionale Beteiligung, Wissen und Aufforderungen zum Handeln, so heißt es in den Unterlagen.


Meredith Broussard, Professorin für Datenjournalismus an der New York University und Autorin des Bestsellers Artificial Intelligence: How Computers Misunderstand the World, verglich Voyager mit Systemen, die für das Online-Ad-Targeting verwendet werden. Sie ordnen uns auf der Grundlage gemeinsamer Interessen bestimmten "Affinitätsgruppen" zu: "Anstatt Menschen in Gruppen wie 'Haustierbesitzer' einzuteilen, steckt Voyager sie in 'Gruppen' von wahrscheinlichen Kriminellen", erklärte Broussard. "Es ist ein 'Schuld durch Assoziation'-System".


Zusammenarbeit mit der Polizei


Öffentlich zugängliche Daten ergänzt die Voyager-Software mit Informationen, die das Unternehmen von Strafverfolgungsbehörden durch Durchsuchungs-, Haftbefehle und Vorladungen. Hinzu kommen Analysen von privaten Textnachrichten und Daten über die geolokalisierten Aufenthaltsorte einer Person.


Laut Hersteller kann die Software auch auf verschlüsselte Informationen bei Telegram zugreifen.


Ein sogenannter „Premium-Dienst“ namens Active Persona bietet Kunden die Möglichkeit, „Avatare“ zu verwenden, um "Informationen zu sammeln und zu analysieren, die sonst nicht zugänglich sind".


Dem Guardian zufolge „sind die Polizeidienststellen oft nicht bereit, auf den Einsatz dieser Instrumente zu verzichten, selbst angesichts eines öffentlichen Aufschreis der Empörung und obwohl es kaum Beweise dafür gibt, dass sie zur Verringerung der Kriminalität beitragen“.


Die Behauptungen von Voyager, es verwende "hochmoderne KI-basierte Technologien" wie "maschinelles Lernen", "kognitives Computing" und "kombinatorische und statistische Algorithmen", seien im Grunde nur "Wortsalat", meint Cathy O'Neil, eine Datenwissenschaftlerin und CEO von Orcaa, einer Firma, die Algorithmen prüft. "Sie sagen: 'Wir verwenden große Mathematik'. Das sagt eigentlich nichts darüber aus, was sie tun." Tatsächlich, so O'Neil, lieferten Unternehmen wie Voyager im allgemeinen kaum Beweise dafür, dass ihre Algorithmen die von ihnen behaupteten Fähigkeiten tatsächlich besäßen.


Das Problem bei dieser Art von Marketing sei, so O'Neil weiter, dass es als Deckmantel für voreingenommene Polizeipraktiken dienen könne: "Wenn es ihnen gelingt, die Menschen dazu zu bringen, ihrem Algorithmus zu vertrauen, ohne dass es einen Beweis dafür gibt, dass er funktioniert, dann kann er als Waffe eingesetzt werden.“


Datenschutz war gestern, rechtmäßiges Verhalten wird kriminalisiert


Diese Art von Software verletzt die Privatsphäre und kriminalisiert ansonsten rechtmäßiges Verhalten wie den Umgang mit bestimmten Personen. Für den Strafverteidiger John Hamasaki, Mitglied der Polizeikommission in San Francisco, ist „das Ausmaß, in dem sich Voyager private Informationen beschafft, einfach viel zu weit gefasst." Dass die Polizei nun persönliche Daten mit Hilfe von KI-Technologie analysieren kann, die Unternehmen wie Voyager bereitstellen, werfe massive Bedenken hinsichtlich der bürgerlichen Freiheiten und des Datenschutzes auf.


"Ich mache mir Sorgen darüber, wie niedrig die Schwelle für Tech-Unternehmen ist, die explizit die Überwachung durch die Polizei ermöglichen", sagt Chris Gilliard, Professor am Macomb Community College und wissenschaftlicher Mitarbeiter am Shorenstein Center der Harvard Kennedy School. "Es gibt eine lange Geschichte von Strafverfolgungsbehörden, die Aktivisten ausspionieren - die völlig legalen Aktivitäten nachgehen -, um Menschen einzuschüchtern oder Bewegungen zu stören. Aus diesem Grund sollte die Messlatte für Unternehmen, die die Überwachung durch die Polizei unterstützen, sehr hoch liegen."


Perfektes Kontrollwerkzeug


Technokratischen Wahrheitswächtern der „Neuen Weltordnung“ bietet Software wie „Voyager“ ein perfektes Kontrollinstrument. Ihr Potenzial könnte sie spätestens beim nächsten echten oder angeblichen Notstand entfalten – bei einer P(l)andemie beispielsweise. Es gehört wenig Phantasie dazu, sich auszumalen, wie ein derartiges Tool die polizeiliche Überwachung in Pandemiezeiten „optimieren“ kann. Du glaubst das gleiche wie einer, der eure Überzeugung mit jemandem teilt, der als Maskenverweigerer, als Teilnehmer einer verbotenen Anti-Corpona-Demo, als Benutzer eines gefälschten Impfpasses aufgefallen ist? Du bist Mitglied einer Online-Gruppe, in der irgendwer zum Widerstand gegen die Staatsgewalt aufgerufen hat? Deine Posts „liked“ hin und wieder jemand, der mit „Querdenkern“ sympathisiert, welche bekanntlich der Verfassungsschutz beobachtet? All das macht dich verdächtig – erst recht, wenn dir alle drei „Vor-Verbrechen“ zur Last gelegt werden können.


Übertrieben? Die Coronakrise lehrt: Wer abweichende Meinungen unterstützt und vertritt, staatliche Maßnahmen wie Ausgangssperren, Reiseverbote und Lockdowns kritisiert, Regierenden den Gehorsam verweigert, die Aussagekraft von Tests und die Wirksamkeit von Masken bezweifelt oder gar Impfungen für unnötig, unwirksam und unsicher erklärt, der sieht sich nicht nur in immer stärkerem Maß geächtet und zensiert – er wird geradezu kriminalisiert.


„Die bringen Menschen um“, wetterte US-Präsident Joe Biden kürzlich über Leute, die im Internet „Lügen“ über die Pandemie verbreiten; damit stellt er „Desinformanten“ auf eine Stufe mit Mördern.


Eltern, die gegen Covid-Restriktionen in Schulen demonstrieren, müssen sich zu „inländischen Terroristen“, domestic terrorists, stempeln lassen.


Ein Medizinprofessor plädiert dafür, Kritik an dem umstrittenen Regierungsberater Anthony Fauci und anderen Experten als „hate crime“ und „antiscience aggression“ zu verfolgen. (2) Die WHO erklärt Impfgegner zu einer der „zehn größten globalen Gesundheitsbedrohungen“. (3)


Bereits in der Frühphase der Pandemie, Mitte März 2020, hatte Niedersachsens SPD-Innenminister Boris Pistorius gefordert, „Falschnachrichten“ unter Strafe zu stellen. Es müsse verboten werden, öffentlich „unwahre“ Behauptungen über die Versorgungslage der Bevölkerung, die medizinische Versorgung oder Ursache, Ansteckungswege, Diagnose und Therapie der Erkrankung Covid-19 zu verbreiten. (4)


Hier müsse die Meinungsfreiheit enden, meint auch Bill Gates. Alle Regierungen der Welt fordert er auf, jeden zu bestrafen, der sich online gegen Masken und Impfstoffe ausspricht. Es sei wichtig, "falsche Informationen" über das neuartige Coronavirus und die staatlich zugelassenen "Impfstoffe" konsequent zu unterdrücken. Staatliche Organe sollten endlich die Kontrolle über die Internetdiskussionen übernehmen. (5)


Dabei ist Gates gerne behilflich. Um „Desinformation“ weltweit noch wirksamer zu bekämpfen, hat er vor kurzem ein neues Bündnis großer Medien- und Tech-Unternehmen geschmiedet. Die Coalition for Content Provenance and Authenticity (C2PA) soll die technischen Voraussetzungen dafür schaffen, das Internet von „Fake News“ und „Verschwörungstheorien“ zu säubern – umfassend und ein für allemal: „Dieses Zeug muss weg.“ (Näheres hier.)


Gates vergaß zu erwähnen, dass die geforderte Kontrolle längst stattfindet.


Von der Zensur zur Verfolgung


Vom öffentlichen Pranger über Zensur bis bis zur strafrechtlichen, per Gesetz abgesegneten Verfolgung ist es erfahrungsgemäß ein kleiner Schritt. Am 20. Mai 2021 unterzeichnete Joe Biden einen Covid-19 Hate Crime Act, der sich zu einem gesetzlichen Totschläger für jegliche Kritiker des Hygieneregimes ausbauen lässt.


In Australien verabschiedete der Senat Ende August 2021 ein weitreichendes Gesetz zur Internetüberwachung. Das "Surveillance Legislation Amendment (Identity and Disrupt) Bill 2020" verschafft der Australian Criminal Intelligence Commission (ACIC) sowie der Australian Federal Police (AFP) neue umstrittene Befugnisse. Beide Strafverfolgungsbehörden dürfen jetzt "Datenunterbrechungen“ vornehmen, um "die Fortsetzung krimineller Aktivitäten durch Teilnehmer zu verhindern“, insbesondere solcher, die sich „an unbekannten Orten befinden oder unter anonymen oder falschen Identitäten handeln". Ein "Network Activity Warrant" erlaubt es Ermittlern, die Internetaktivitäten eines Verdächtigen zu überwachen, um Informationen zu sammeln.


Angeblich dient das neue Gesetz bloß dazu, um schwere, organisierte Cyberkriminalität zu bekämpfen. Doch ab September häuften sich in sozialen Medien erschreckende Berichte und Filmaufnahmen von Bürgern, die wegen missliebiger Posts in sozialen Medien Hausbesuche von der Polizei bekamen. Australische Strafverfolger scheinen Social-Media-Plattformen wie Facebook und Twitter systematisch zu durchsuchen und nach Nutzern zu fahnden, die corona-maßnahmenkritische Proteste unterstützen könnten. "Wir möchten uns mit Ihnen zu unterhalten, weil wir Hinweise darauf haben, dass Sie einige Dinge in den sozialen Medien gepostet haben", sagt der Polizist in Zivil in einem TikTok-Video, das viral ging. „Ich bin hier, um Sie daran zu erinnern, dass Sie in Bezug auf COVID und die Anweisung, zu Hause zu bleiben, zu Hause bleiben müssen." In einem anderen weitverbreiteten Video fragt ein Beamter einen Mann vor dessen Haustür: "Sind Sie sich bewusst, dass gewisse Mitteilungen über bevorstehende Proteste unter den Leuten kursieren? (…) Nutzen Sie irgendeine Plattform zur Kommunikation“ (mit Protestlern)?


In Griechenland ist die Leugnung der Pandemie, die Verbreitung von Verschwörungstheorien und der Aufruf, Pandemieregeln zu brechen, seit August 2020 strafbar. (6) Auf Anordnung von Bürgerschutzminister Michalis Chrysochoidis verfolgt die Staatsanwaltschaft solche Gedankenerbrechen unerbittlich. Eine Cyber Crime-Einheit der griechischen Polizei überwacht Blogs, Internetmagazine und soziale Netzwerke. „Wir werden alle rechtlichen Maßnahmen ergreifen, damit die öffentliche Gesundheit nicht durch Fehlinformationen oder Verschwörungstheorien bedroht wird, die im Internet in Umlauf gebracht werden“, erklärt der Minister. „Das Coronavirus ist nicht für Aufrufe zum Ungehorsam oder Verschwörungsszenarien geeignet. Bei jeder Tat, bei jeder unserer Handlungen müssen die Verantwortung und das Bewusstsein über die Konsequenzen für unsere Mitbürger überwiegen. Der Staat wird die Schaffung von Brutstätten für die öffentliche Gesundheit durch sozial unverantwortliche Verhaltensweisen nicht zulassen.“


Amnesty International beklagt ein „Klima der Angst“


„Staatsfeindliche Bewegungen“ heißt eine Richtlinie von Niederösterreichs Landesgesundheitsagentur, die am 1. November 2020 in Kraft trat. „Anhänger staatsfeindlicher Bewegungen“, so wird der Feind einleitend definiert, „ erkennen – vereinfacht gesagt – den Staat sowie dessen Institutionen nicht an, lehnen behördliche Maßnahmen (Bescheide, Urteile, etc.) ab“ - wie etwa die Masken- und Testpflicht, Ausgangssperren, Zutrittsverbote für Ungeimpfte – „und/oder versuchen den Vollzug von Maßnahmen zu verhindern. (…) Die Staatsfeinde treten unter anderem mittels (…) Nichtanerkennungen von Verfahrensmaßnahmen (---) an die staatlichen Organe heran.“ Wie umgehen mit solchem Gesindel? Ihr Vorgehen „darf nicht nicht ignoriert werden. So ist auf eine konsequente Durchführung der nötigen Handlungen zu achten und sind die dienstlichen Tätigkeiten zielstrebig zu Ende zu führen. Grundsätzlich gilt: Diskussionen über unhaltbare Rechtsansichten, fehlende „Legitimierungen“ etc. sind nicht zu führen und jeder Schriftwechsel ist auf das Nötigste zu beschränken.“


In Deutschland existiert inzwischen ein „Nationaler Cyber-Sicherheitsrat“, der seine Aufgaben wie folgt umreißt: „Zu erforschen ist, wie Desinformation, Deepfakes, Malicious Social Bots und ihre Verbreitungswege erkannt, gekennzeichnet, gesperrt und gelöscht werden können. Zu untersuchen sind Charakteristika von Desinformation und ihre Wirkungen auf Einzelne und die Gesellschaft sowie politische und rechtliche Gegenmaßnahmen, die eine effektive Bekämpfung bewirken, ohne Meinungsfreiheit zu behindern.“ Es geht also zumindest um ein von „schädlichen Informationen“ gereinigtes Internet.


Dafür sorgen immer öfter, immer rigoroser Landesmedienanstalten. Reihenweise versenden sie an Betreiber coronakritischer Internetplattformen Mahnbriefe, in denen sie Löschungen oder Korrekturen bestimmter Beiträge fordern. Dabei verhängen sie heftige Bußgelder und drohen mit dem Entzug der „Rundfunklizenz“. (7)


Die Rechtsgrundlage dafür, Spähsoftware wie Voyager europaweit einzusetzen, schuf die EU am 6. Juli 2021: Da stimmte das Europäische Parlament einer Verordnung zu, die es Chat- und Messenger-Providern erlaubt, private Chats, Nachrichten und E-Mails massenhaft, anlass- und unterschiedslos auf verdächtige Inhalte durchsuchen. Die offizielle Begründung: Strafverfolgung von Kinderpornographie. Die Konsequenz: Massenüberwachung durch vollautomatisierte Echtzeit-Chatkontrolle, durch Künstliche Intelligenz - und damit die Abschaffung des digitalen Briefgeheimnisses. Kurz darauf kündigte die Europäische Kommission eine Folgeverordnung an, die solche Chatkontrolle verpflichtend machen soll.


Indizien dafür, dass wir im Sinne von Wahrheitswächtern zu „verbrecherischen“ Sozialschädlingen, zu Gedankenterroristen werden, kann eine Spähsoftware vollautomatisch sammeln. Was für Beiträge posten, liken, teilen wir? Wie intensiv tun wir das? Was kommentieren wir zustimmend, was eher negativ? Welche Emojis verwenden wir? Wem folgen wir, welchen Gruppen gehören wir an? Welche Newsletter abonnieren wir? Für welche Veranstaltungen melden wir uns online an? Rufen wir berüchtigte Fake-News-Seiten wie KLARTEXT auf? Wie häufig tun wir das? Was für Texte lesen wir dort wie lange? Mit jedem Klick werden wir virtuell Teil einer Gruppe: Wir tun dasselbe wie jemand, der womöglich bereits durch Gesetzesverstöße aufgefallen ist – oder dazu neigt, wie sein Surfverhalten nahelegt. Die pure Assoziation macht uns verdächtig. Wir laden Kontaktschuld auf uns.


In den meisten westlichen Ländern erschöpfen sich Sanktionen dafür vorerst noch in sozialer Ächtung und öffentlicher Denunziation. Wie sie sich „weiterentwickeln“ lassen, führt das rotchinesische Sozialpunktesystem vor Augen. Die Strafenskala reicht von Geldbußen über Einschränkungen der Bewegungsfreiheit bis hin zu Haft.


Zensur, Schikane und Kriminalisierung von Corona-Maßnahmen-Kritikern beklagt Amnesty International. „Ein Klima der Angst entsteht“, warnt die Menschenrechtsprganisation in ihrem jüngsten Bericht. (8) „Weite Teile der Weltbevölkerung leiden unter den Einschränkungen der Meinungsfreiheit. (…) "Der Begriff "Fake News" wurde auch von einer Reihe von Beamten und Politikern verwendet, um echte Informationen und legitime Kommentare und Meinungen zu bezeichnen, um Geschichten, Meinungen und Berichte zu untergraben und zu diskreditieren, die kritisch oder unabhängig von ihnen sind. (…) Die Meinungsfreiheit ist der Schlüssel, um Regierungen für ihre politischen Reaktionen auf die Gesundheitskrise zur Rechenschaft zu ziehen.“


„Dramatischer Verfall“ der Meinungsfreiheit


Die Corona-Pandemie habe zu einem "dramatischen Verfall" der Freiheit im Internet geführt: Zu diesem Ergebnis kommt auch die nichtstaatliche US-Organisation Freedom House in ihrem jährlichen "Freedom on the Net Report", der untersucht, wie es international um die digitale Redefreiheit und das Recht auf die eigenen Daten steht. Seit Beginn der Coronakrise zeige sich ein "besonders düsteres" Bild. Staatliche und private Akteure in zahlreichen Ländern hätten die Krise genutzt, um online veröffentlichte Informationen zu steuern, kritische Berichte zu unterdrücken und neue Technologien zur sozialen Kontrolle zu installieren. In mindestens 28 von 65 untersuchten Ländern seien Websites gesperrt oder einzelne Nutzer, Plattformen oder Online-Publikationen gezwungen, Informationen über die Ausbreitung der Pandemie zu löschen. Neue Gesetze zur Eindämmung vermeintlich falscher Nachrichten über das Infektionsgeschehen oder zum Erhalt der öffentlichen Ordnung würden vielfach missbraucht. In mindestens 30 Ländern finden laut dem Bericht Überwachungsmaßnahmen in direkter Partnerschaft mit Telekommunikationsanbietern und anderen Unternehmen statt.


Dem Bericht zufolge werde es "schwierig, wenn nicht unmöglich" sein, solche Instrumente zur Überwachung wieder außer Betrieb zu nehmen, nachdem das Virus bezwungen ist. Die Geschichte zeige, "dass neue staatliche Vollmachten für gewöhnlich die ursprüngliche Bedrohung überdauern".


Wie entziehen wir uns der Kontrollwut, wenn nicht durch Totalausstieg aus sozialen Medien? Entweder wir posten und klicken ab sofort nur noch ganz brav systemkonform, um bloß keinen Verdacht zu erregen. Oder wir beschränken unsere potenziellen „Vor-Verbrechen“ auf jene Nischen des Cyberspace, in denen wir noch anonym agieren können. Die eigene IP-Adresse verschleiern lässt sich mittels Tor, einem Netzwerk zur Anonymisierung von Verbindungsdaten.


Im Internet ist Tor gratis erhältlich. Dass erst 2,4 Millionen User es täglich verwenden, verdeutlicht, wie unterentwickelt das allgemeine Bewusstsein für technokratische Bedrohungen immer noch ist.

(Harald Wiesendanger)

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