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Dr. Harald Wiesendanger

Der Osteoporose-Schwindel

Aktualisiert: vor 4 Tagen

Schon bei jeder fünften Frau über 50 liegt Osteoporose vor – ihre Knochendichte hat sich gefährlich verringert, Brüche drohen. Die herkömmliche Behandlung nützt zuverlässig allerdings nur Pharmakonzernen, Arztpraxen und Kliniken, während sie die Situation der Betroffenen oft verschlimmert. Dabei könnten einfache Maßnahmen die Knochengesundheit wiederherstellen und erhalten – viel billiger und frei von Nebenwirkungen.



Mit dem allseits bekannten Otto Normalverbraucher führt Ottilie Normalversteherin eine überaus harmonische Ehe auf Augenhöhe, innig verbunden durch vielerlei Gemeinsamkeiten. Unter anderem interessieren sich beide sehr für Gesundheitsthemen, und weil sie zu jedem kostenlosen Apothekenheft greifen und stets die Medizinseite ihres Lokalblatts studieren, wähnen sie sich bestens informiert.


Deshalb kann Ottilie, 53, unmöglich kaltlassen, was sie kürzlich las: Jede fünfte Frau über 50 hat Osteoporose. Die meisten ahnen überhaupt nichts davon. Denn sie sind beschwerdefrei. Unmerklich werden ihre Knochen immer poröser, bis sie eines Tages brechen – und nie mehr heilen. Neben Arthrose, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Demenz, Seh- und Hörverlust, so erfährt Ottilie, zählt Osteoporose zu den häufigsten Ursachen für Invalidität unter Senioren: Nach einem osteoporotischen Bruch kann sich jeder vierte Betroffene nicht mehr selbst versorgen und wird pflegebedürftig; bereits im ersten Jahr nach einem schweren Hüftbruch stirbt jeder Fünfte an den Folgen, nach Angaben des Dachverbands Osteologie (DVO).


Weil sie solche Aussichten sehr beunruhigen, lässt sich Ottilie von ihrem Hausarzt zu einem Orthopäden überweisen. „Gut, dass Sie endlich gekommen sind“, sagt er, „in Ihrem Alter wird es höchste Zeit, die Knochendichte zu messen.“ Deren Ergebnis zeigt zumindest schon eine Vorstufe zur Osteoporose an: Osteopenie. Der Arzt verschreibt Ottilie ein Calcium-Präparat und Vitamin D – „es hilft, Calcium aus dem Darm aufzunehmen und in die Knochen einzubauen“. Im übrigen rät er ihr zu mehr Milchprodukten. In einem Jahr soll sie zur Kontrolle erscheinen.


Mit dieser ersten Messung beginnt für Ottilie eine typische Patientenkarriere, deren Hintergründe sie bis zuletzt nicht im geringsten durchschaut.


Kurz nachdem sie mit der Calcium-Einnahme begonnen hat, macht ihr ständig die Verdauung zu schaffen. Blähungen, Verstopfungen, Durchfall gehören zu ihrem Alltag. Das könnte an einer Laktoseintoleranz liegen, liest sie irgendwo. Also meidet sie Milchprodukte, isst dafür mehr Grünkohl, Brokkoli und Spinat. Oder verträgt sie Gluten nicht? Fortan verzichtet sie auf Backwaren aus Weizen, Roggen und Gerste. Oder hat sie Schwierigkeiten, Fruktose zu verdauen? Vorsichtshalber lässt sie die Finger von Obst mit hohem Fruchtzuckergehalt.


Aber die Beschwerden bleiben. Liegt es womöglich an Magengeschwüren? Gallensteinen? An einer Pankreatitis? An Morbus Crohn? Oder Colitis ulcerosa? All das lässt Ottilie ärztlich abklären – ohne Befund.


Bis sie insoweit Klarheit hat, steht schon die nächste Knochendichtemessung an. Leider liefert sie keinen Grund zur Entwarnung, im Gegenteil: Der Wert hat sich verschlechtert, er deutet nun bereits auf eine beginnende Osteoporose hin.


Natürlich weiß der Orthopäde Rat: „Offenbar genügt Calcium bei Ihnen nicht. Ich verschreibe Ihnen nun ein Medikament, das Sie ab sofort zusätzlich einnehmen, einmal wöchentlich – ein sogenanntes Bisphosphonat. Es hemmt den Knochenabbau. Zuverlässig. Und gut verträglich.“ „Fosamax“ heißt es. „In einem Jahr sehen wir uns wieder.“


Das nächste Wiedersehen findet aber schon wenige Wochen später statt. Denn Ottilie machen neue Beschwerden zu schaffen: ständiges Sodbrennen, Übelkeit, Bauchweh, Schmerzen in Muskeln, Knochen und Gelenken. „Das liegt womöglich an Ihrem Osteoporose-Medikament“, vermutet der Hausarzt und schickt sie nochmals zum Orthopäden. „Es kann schon mal vorkommen, dass man ein bestimmtes Präparat nicht so gut verträgt“, erklärt der Facharzt. Er drückt Ottilie ein Rezept für „Actonel“ in die Hand.


Doch an ihren Beschwerden ändert sich nichts. Mit „Bonviva“ und „Aclasta“ ebensowenig.


Was bleibt Ottilie anderes übrig, als ihre Symptome tapfer zu ertragen? „Mir keine Knochen zu brechen, ist wichtiger.“ Gegen ihr Sodbrennen wird ihr ein Protonenpumpenhemmer verschrieben. Daraufhin verstärken sich ihre Verdauungsstörungen. Oft wird ihr schwindlig. Noch häufiger tun Kopf und Bauch weh.


Zwanzig Jahre lang schluckt sie Arzneimittel gegen Knochenabbau, strikt nach Anleitung in den Beipackzetteln. Und weiterhin lässt sie regelmäßig ihre Knochendichte messen. Erfreut erfährt sie, dass sich der Wert allmählich bessert. Das erleichtert es ihr, die anhaltenden Nebenwirkungen der Pillentherapie auszuhalten. Ihre Schmerzen bekommt sie mit Ibuprofen recht gut in den Griff – aber auf Dauer beschert es ihr Magenschleimhautentzündungen und Zwölffingerdarmgeschwüre.


Wenigstens bessern sich ihre Wechseljahresbeschwerden ein wenig, seit ihr Gynäkologe ihr Östrogene verordnet. „Die stärken zugleich auch ihre Knochen, wie Studien zeigen“, sagt er.


Ottilie ist 73, als sie über einen Teppichrand stolpert, unglücklich stürzt – und sich einen komplizierten Bruch des Hüftgelenks zuzieht. Er verheilt nicht.


Davon erholt sich die Rentnerin nie mehr. Ihr letztes Lebensjahrzehnt bleibt sie an den Rollstuhl gefesselt – und todkrank, denn die Hormonersatztherapie hat zu Brustkrebs geführt. Verköstigt mit jener berüchtigten, nicht unbedingt knochenfreundlichen Art von kulinarischer Sterbehilfe, für die Deutschlands Altenverwahranstalten berüchtigt sind, schließt sie voller Metastasen in einem Pflegeheim für immer die verweinten Augen – ein paar Monate nach ihrem Otto. Den hatte ein Herzinfarkt dahingerafft, kurz nach dem zweiten Corona-„Booster“.



In die Pharma-Falle getappt


Ottilie ist fiktiv, ihre Krankengeschichte ganz und gar nicht. Jahr für Jahr lassen sich Abermillionen von vermeintlichen „Risikopatienten“ eine Heidenangst vor brüchigen Knochen einjagen, woraufhin sie sich ahnungslos, in blindem Vertrauen auf den Sachverstand ihrer Orthopäden, einem perversen Medizinsystem ausliefern, das Krankheit produziert statt heilt – davon lebt es. Für ihre Gutgläubigkeit zahlen allzu viele einen hohen Preis.


Die Geschichte dieses Skandals beginnt im Jahr 1992, mit der Weltgesundheitsorganisation als schändlichem Hauptakteur. Anfang der neunziger Jahre heckte die WHO willkürlich die heutigen Definitionen von Osteopenie (1992) (1) und Osteoporose (1994) (2) aus. Fortan hatten Mediziner darunter Skeletterkrankungen zu verstehen, die nicht etwa durch bestimmte Beschwerden gekennzeichnet sind, sondern durch einen Messwert: Bei ihnen liegt die Knochenmineraldichte (Bone Mineral Density, BMD) in der Hüfte, gemessen in g/cm2 oder g/cm3, 1 bzw. 2,5 Standardabweichungen unter der Spitzenknochenmasse einer durchschnittlichen, etwa 30-jährigen kaukasischen (3) Frau, festgestellt mit einem Röntgengerät, das als Dual Energy X-ray Absorptiometry (DXA oder DEXA) bezeichnet wird.  Eine “Standardabweichung” ist nichts weiter als eine statistische Rechengröße, die ausdrückt, in welchem Ausmaß eine Gruppe innerhalb einer Population vom Mittelwert abweicht: beispielsweise in puncto Körpergröße, Gewicht, Muskelmasse, Cholesterinspiegel, Intelligenz – oder auch im Verhältnis der mineralisierten Knochensubstanz, die hauptsächlich aus Calcium- und Phosphatkristallen besteht, zu einem bestimmten Knochenvolumen.


Darauf beruht der „T-Score“, den Orthopäden für ihre Patienten aus BMD-Messungen ableiten. Er wird in Standardabweichungen (SD) angegeben. Für deren Interpretation legte die WHO folgende Grenzwerte fest:


-  T-Score ≥ -1,0 SD: Normale Knochendichte

-  T-Score zwischen -1,0 und -2,5 SD: Osteopenie (Vorstufe der Osteoporose)

-  T-Score ≤ -2,5 SD: Osteoporose.


Diese völlig willkürliche Terminologie hat für Skelettinhaber schwerwiegende Folgen:


-          Aus statistischen Gründen können sie an einer behandlungsbedürftigen Krankheit leiden, ohne die geringsten Beschwerden zu haben.


-          Diese symptomfreie Krankheit verschlimmert sich unbemerkt mit unerbittlicher Notwendigkeit,  je länger der 30. Geburtstag zurückliegt. Schließlich gehört es zum natürlichen Alterungsprozess jedes Menschen, dass die Knochenmineraldichte nach und nach abnimmt. Gemäß WHO-Definition „leiden“ im Alter von 25 Jahren schon 15 % der Bevölkerung ohne geringstes Leid an Osteopenie; unter den 50-Jährigen sind es bereits 33 %. Und von den 65-Jährigen müssen 60 % hinnehmen, dass sie entweder an Osteopenie (40 %) oder schon an Osteoporose (20 %) leiden.




Aber wie logisch ist es, die Standardknochendichte eines jungen Erwachsenen zum Maßstab für uns alle zu machen, unabhängig vom Alter? Läge es nicht viel näher, vom “Z-Score” auszugehen, der unsere BMD mit der unserer Altersgruppe, mit gleichem Geschlecht und ethnischer Herkunft vergleicht? Sobald man dies tut, löst sich eine gewaltige Krankheits”last” schlagartig in Luft auf. Einer 2009 im Journal of Clinical Densitometry veröffentlichten Studie zufolge wären 30 % bis 39 % der Probanden, bei denen mittels DXA-Technik Osteoporose diagnostiziert worden war, entweder als normal oder als bloß “osteopenisch“ einzustufen, wenn der Z-Score statt des T-Scores verwendet würde.


Wer den Interessenkonflikten innerhalb des Expertengremiums nachforscht, auf dessen Empfehlungen die WHO ihre Begriffsakrobatik stützt, der ahnt: Dahinter verbirgt sich eine Absicht, die weniger mit der Förderung der Gesundheit zu tun hat als mit der Unterstützung von Geschäftsmodellen, die darauf beruhen, dass Gesundheit verlorengeht. Dazu wird ein normaler Alterungsprozess pathologisiert – mit einem Taschenspielertrick verwandelt er sich in eine behandlungsbedürftige Krankheit, auf die teure Diagnostik zielen darf, um den Einsatz teurer Medikamente zu rechtfertigen. „Wir haben ein Nicht-Problem medikalisiert”, räumt Dr. Michael McClung ein, Direktor des Oregon Osteoporosis Center. (4)


Der bewährte Einsatz von mathematisch-klinischem Fachchinesisch, gepaart mit akademischer Arroganz, hindert verunsicherte Laien daran, das Spiel zu durchschauen.


Die semantische Luftnummer diente ökonomischem Kalkül. Denn sie bereitete, in bewährter Manier, den Weg für abartige “Präventivmedizin” – nicht etwa im Sinne von Maßnahmen, die Erkrankungsrisiken senken, sondern von massenhaften Vorsorgeuntersuchungen, um Erkrankungen kostspielig festzustellen. Stets werden solche lukrativen Screenings alsbald zur Normalität. (Ein DEXA-Scan kostet üblicherweise zwischen 50 und 150 Euro – und muss natürlich möglichst oft stattfinden, damit sich das 23.000 bis über 35.000 Euro teure DEXA-Gerät amortisiert.) Je niedriger dabei die Schwelle zum Pathologischen liegt, je früher Alarm schrillt, dass sie überschritten ist, desto gerechtfertigter scheint es, darauf zugeschnittene medizinische Produkte und Dienstleistungen zu verkaufen. Je tiefer der “sichere” Blutdruck, der “sichere” Cholesterinspiegel liegt, desto mehr Blutdrucksenker und Statine lassen sich verschreiben. Die WHO-Definitionen von Osteopenie und Osteoporose ermöglichten es, das gleiche infame Spiel mit der Knochendichte zu veranstalten.


Der Preis ist heiß, der Markt gewaltig: In Deutschland sollen bereits 6 % der Bevölkerung von Osteoporose betroffen sein (5), geschätzte 6,5 bis 8 Millionen; bei vier Fünfteln davon handelt es sich um Frauen nach der Menopause. “Im Alter von 70 ist Osteoporose eine Volkskrankheit", konstatiert der Internist Johannes Pfeilschifter, der seit zwanzig Jahren die Weiterentwicklung der Leitlinie zur Osteoporose koordiniert, eine Orientierungshilfe zu Diagnose und Therapie. Weltweit dürften rund 200 Millionen betroffen sein. Da winken Multimilliarden-Geschäfte.



Pharma-Keule gegen Osteoporose: mehr Schaden als Nutzen


Doch wie viele Osteoporose-Patienten erfahren jemals von ihren Ärzten, wie fatal sich eine fabelhafte BMD auswirken kann? Mehrere Studien belegen mittlerweile: Eine überdurchschnittlich hohe Knochendichte steigert bei Frauen mittleren Alters und Seniorinnen ihr Brustkrebsrisiko um 200 % bis 300 %. (6)


Calciumpräparate in Megadosen, wie unzählige Frauen sie vorsorglich schlucken, erhöhen die Wahrscheinlichkeit eines Herzinfarkts um 24 bis 27 %, wie zwei 2011 im Lancet veröffentlichte Metaanalysen zeigen (7), und um 86 %, wie eine neuere, in der Zeitschrift Heart veröffentlichte Metaanalyse ergab. Die mehr als 1.200 Milligramm reines Calcium, deren Einnahme die US-amerikanische Bone Health and Osteoporosis Foundation (BHOF) Frauen ab 50 empfiehlt, um „ihre Knochen zu schützen“, könnten bei Abermillionen zudem Koronararterienkrämpfe, Gefäßverkalkungen und Nierensteine hervorrufen. (In Wahrheit können schon mehr als 500 mg problematisch sein.) Dass die einflussreiche Organisation in nächster Zeit umschwenkt, ist eher unwahrscheinlich: Zu ihren Sponsoren zählen die Hersteller der Calciumpräparate Citrical und Oscal.


Weshalb macht es wenig Sinn, bloß reichlich Calcium zuzuführen? Auch wenn manche Fachbücher beides über einen Kamm scheren: Osteoporose ist nicht dasselbe wie Osteomalazie, eine Störung, bei der sich wegen Calciummangels Mineralien aus dem Knochen lösen, was ihn erweichen lässt. Bei Osteoporose geht vielmehr das Gerüst der Knochensubstanz verloren: das Osteoid, eine Matrix, die hauptsächlich aus Kollagenfasern besteht. Gebildet wird es von spezialisierten Zellen, den Osteoblasten, die aus Stammzellen im Knochenmark entstehen. Dabei setzen sie Osteonektin frei, ein Hormon, das bewirkt, dass Calcium an die Fasern bindet und sich in deren weiches Geflecht einlagert, um es zu verfestigen. Dünnt diese Matrix mit fortschreitendem Alter aus, so bringt mehr Calcium herzlich wenig – weil die Struktur fehlt, in die es sich einlagern kann. Ebensogut könnte man Zement ohne vorherige Schalung auf eine Baustelle kippen.


Wie steht es mit den immer häufiger verordneten Bisphosphonaten: Wirkstoffen, welche die Osteoklasten ausschalten oder abtöten – jene Zellen, die Knochensubstanz abbauen? Tatsächlich sorgen sie dafür, dass die Knochendichte zunimmt, weil sich das Gleichgewicht der Knochenproduktion zugunsten des Aufbaus verschiebt. Doch die sich bildenden Knochen sind viel brüchiger und unflexibler. Das erklärt, weshalb Bisphosphonate paradoxerweise das Risiko von Knochenbrüchen erhöhen - insbesondere von ungewöhnlichen Hüftfrakturen -, welche anschließend schlechter heilen. Langfristig eingenommen, können sie die Entstehung von Knochenfissuren - Mikrofrakturen - fördern, also feinen Rissen oder Spalten im Knochen, was seine Heilungsfähigkeit massiv hemmt. Bezeichnend: Von 70 Patienten, die zwischen 2002 und 2007 wegen Frakturen des Oberschenkelknochens ins Presbyterian Hospital/Weill Cornell Medical Center in New York eingeliefert wurden, nahmen 25 das Bisphosphonat Fosamax ein. Von 20, die im fünfjährigen Beobachtungszeitraum eine sogenannte Stressfraktur („Ermüdungsbruch“) erlitten - eine spezielle Form von Knochenbruch, die durch wiederholte Überlastung entsteht -, hatten 19 Fosamax geschluckt.  


Diese niederschmetternde „Erfolgsbilanz“ aus dem Jahr 2007 bestätigte vier Jahre später eine schwedische Studie an mehr als 12.700 Frauen über 55 Jahren: Von 59, die Oberschenkelbrüche erlitten, hatten 78 % Bisphosphonate eingenommen. „Der Zusammenhang zwischen Bisphosphonaten und den Brüchen ist so auffällig, dass er als kausaler Zusammenhang bestätigt werden kann", so erklärt der Studienleiter.

 

Darüber hinaus bringt dieser Medikamententyp vielerlei üble Nebenwirkungen mit sich. Zu den häufigsten zählen: Magenreizung; Entzündung der Speiseröhre, bis hin zu Krebs; schwere Knochen-, Muskel- und Gelenkschmerzen im ganzen Körper; Absterben von Knochengewebe im Kiefer; grippeähnliche Symptome; Vorhofflimmern; nachlassende Nierenfunktion; Entzündungen der Augen; und Hypokalzämie - ein zu niedriger Calciumspiegel im Blut, der Muskelkrämpfe und Taubheitsgefühle in Gliedmaßen auslösen kann, in schweren Fällen sogar epileptische Anfälle. 


Doch wie viele Patienten bringen noch so heftige Nebenwirkungen jemals auf die Idee, den Pharmaansatz grundsätzlich zu hinterfragen? Bekommt ihnen ein bestimmtes Produkt nicht, so greifen die allermeisten eher zum nächsten, das ihnen der Doktor empfiehlt – der muss es ja wissen, nicht wahr? (Wie konventionelle Ärzte in der Regel zu ihrem Fachwissen kommen, zeige ich in der Artikelserie „Dressierte Halbgötter“ auf.)


Häufig lassen sich Betroffene Hormone verschreiben, aus scheinbar gutem Grund: Östrogene spielen im Knochenstoffwechsel eine mitentscheidende Rolle. Mangelt es an ihnen, so leben knochenabbauende Zellen (Osteoklasten) länger, während sich die Lebensdauer von aufbauenden (Osteoblasten) verkürzt; dies führt in den Wechseljahren dazu, dass verstärkt Knochenmasse verlorengeht. Tatsächlich belegen Studien, dass bei mehrjähriger Hormonersatztherapie Knochenbrüche um 25 % seltener auftreten, das Risiko von Hüft- und Wirbelfrakturen sinkt sogar um ein Drittel. (8) Allerdings erhöhen Östrogengaben das Risiko für Brust-, Eierstock- und Gebärmutterschleimhautkrebs, für Herzerkrankungen, für lebensbedrohliche Thromboembolien – Verschlüsse von Blutgefäßen, weil ein Blutgerinnsel innerhalb des Gefäßsystems weiterwandert -, für Gallenblasenerkrankungen, Inkontinenz, Schlaganfälle, für Demenz. (9)


Das wichtigste Hormon, das den Knochen Elastizität verleiht und die Osteoblasten anregt, ist das Progesteron. Wie Östrogen nimmt es mit dem Alter ab, insbesondere nach der Menopause. Angemessen ergänzt – was anders als beim Östrogen fast immer ungefährlich ist – hilft Progesteron recht wirkungsvoll, Knochenbrüchen vorzubeugen. Depressionen, Migräne, schwere allergische Reaktionen mit Blutdruckabfall, Herzrhythmusstörungen treten nur sehr selten auf. Doch das Risiko besteht.


Sorgt eine neue Medikamentenklasse für Abhilfe: Selective Estrogen Receptor Modulators, kurz SERMs wie “Raloxifen” und “Bazedoxifen”? Diese beeinflussen Östrogenrezeptoren selektiv: In manchen Geweben, z.B. Knochen, haben sie östrogenartige Effekte, in anderen, z.B. der Brust, wirken sie antiöstrogen. Somit ermöglichen SERMs, differenzierter zu behandeln als mit klassischer Hormonersatztherapie. Auf den ersten Blick scheinen sie deren Gefahren elegant zu umgehen, zugleich aber deren Nutzen zu bewahren. Sie steigern die Knochendichte, beugen zugleich Brustkrebs vor und lindern Wechseljahresbeschwerden. (10)


Doch leider bannen auch SERMs schwerwiegende Risiken keineswegs: Es drohen Venen- und Lungenthrombosen, Schlaganfälle, Gallenblasenerkrankungen. Häufig treten Kopfschmerzen und Migräne auf, grippeähnliche Symptome, Magen-Darm-Beschwerden, Hautausschläge, Wadenkrämpfe, Ödeme, erhöhter Blutdruck.


Also Bahn frei für die nächste Pharma-“Innovation”: RANKL-Inhibitoren wie “Denosumab”? Solche Wirkstoffe, maßgeschneiderte monoklonale Antikörper, binden und neutralisieren RANKL, ein Protein, das wesentlich dazu beiträgt, dass sich Osteoklasten bilden, funktionieren und überleben. Sie unterbrechen das Zusammenspiel zwischen RANKL und seinem Rezeptor, der sich auf der Oberfläche von Vorläuferzellen der Osteoklasten befindet. Das verhindert, dass neue Osteoklasten entstehen. (11)


Wer allerdings die Beipackzettel aufmerksam liest, dem stehen ein weiteres Mal die Haare zu Berge: Häufig treten Infektionen der Harnwege und der oberen Atemwege auf; allergische Hautreaktionen; Gliederschmerzen in Muskeln und Skelett. Es droht Hypokalzämie. Auch Immunschwäche, gestörte Wundheilung, Entzündungen und Nekrosen des Kiefers können auftreten. Es kann zu atypischen Brüchen von Oberschenkelknochen und mehrfachen Wirbelkörperfrakturen kommen – also zu eben jenen Katastrophen, vor denen das Medikament doch eigentlich bewahren sollte. (12)


Doch was kümmern die Gesundheitswirtschaft irgendwelche Kollateralschäden ihrer Produkte, solange Renditen die Investoren zufriedenstellen? Der weltweite Umsatz mit Osteoporose-Medikamenten liegt aktuell bei 8 bis 11 Milliarden US-Dollar pro Jahr (13), mit jährlichen Wachstumsraten von 3 bis 4 % - zur Genugtuung der Marktführer Eli Lilly, Hoffmann-La Roche, Pfizer, Merck und Amgen.



So einfach wäre Knochengesundheit sicherzustellen


Vom 30. Lebensjahr an geht jährlich bis zu einem Prozent Knochenmasse verloren. Nach der Menopause verlieren Frauen innerhalb von 5 bis 7 Jahren bis zu 20 % davon. Ist es nicht ratsam, diesem Prozess möglichst frühzeitig gegenzusteuern, ehe er sich bei einem Sturz aufs Übelste manifestiert? Wozu tatenlos zusehen, wie Knochen immer brüchiger werden, bis sie eines Tages brechen?


Die rhetorische Frage träfe ins Schwarze, wenn stimmen würde, was sie voraussetzt: dass das Frakturrisiko von Knochen ausschließlich oder zumindest hauptsächlich von der Mineraldichte abhängt. Dem ist aber keineswegs so. Zwar korrelieren BMD und Knochenstärke teilweise – sie sind aber nicht gleichwertig. Die Dichte mag ein zuverlässiger Indikator dafür sein, wie bruchfest ein Knochen ist, wenn ein statisches Gewicht auf ihn einwirkt – aber sie besagt wenig darüber, wie stabil er bei Zug oder Dehnung bleibt. “In einigen Fällen zeigt eine höhere Knochendichte sogar an, dass der Knochen schwächer ist”, wie Sayer Ji klarstellt, Gründer des medizinischen Infodiensts Greenmedinfo.com: “Glas beispielsweise hat eine hohe Dichte und Druckfestigkeit, ist aber extrem spröde, weshalb es leicht zerbricht, wenn es zu Boden fällt. Holz hingegen, das dem menschlichen Knochen von Natur aus näher steht als Glas oder Stein, hat im Vergleich zu diesen Materialien eine geringere Dichte, ist aber auch extrem stark und kann sich biegen und strecken, um genau denselben Kräften standzuhalten, denen der Knochen bei einem Sturz ausgesetzt ist. Oder nehmen Sie ein Spinnennetz. Es hat eine unendlich größere Festigkeit und praktisch keine Dichte. In Anbetracht dieser Tatsachen kann eine hohe Knochendichte - und damit keine Osteoporose - das Frakturrisiko in einem realen Szenario wie einem Sturz tatsächlich erhöhen.” Wie real dieses Risiko ist, erleben allzu viele Osteoporose-Patienten, die wie Ottilie jahr(zehnt)elang brav die verordneten Präparate geschluckt haben – und sich trotzdem schwere Knochenbrüche zuziehen.


“Das Wichtigste”, so betont ein amerikanischer Arzt, der sich wohl aus triftigen Gründen hinter dem Pseudonym “A Midwestern Doctor” versteckt – “ist nicht die Knochendichte, sondern die Elastizität und Beweglichkeit der Knochen. Wenn gesunde Knochen einer Belastung ausgesetzt sind, biegen sie sich, um diese Belastung auszugleichen, und kehren dann in ihre ursprüngliche Form zurück, während ein spröder Knochen bricht, sobald er sich zu biegen beginnt.”


Demnach verführen die WHO-Definitionen dazu, entscheidende Aspekte der Knochenqualität und des tatsächlichen Frakturrisikos zu unterschätzen. Dadurch lenken sie Aufmerksamkeit und Ressourcen weg von weniger profitablen, womöglich aber wirksameren Ansätzen: Lebensstil ändern, Ernährung verbessern, zugrundeliegende Gesundheitsprobleme angehen.


Das A und O: gesunde Lebensgewohnheiten


Je sicherer man laufen kann, desto geringer ist die Gefahr, schwer zu stürzen und sich dabei Brüche zuzuziehen; dies wiederum hängt entscheidend davon ab, wie ausgiebig man sich bewegt. Wir sitzen zuviel. Die Studienlage ist eindeutig: Regelmäßiges körperliches Training fördert eine gesunde Knochenstruktur und macht Brüche unwahrscheinlicher. In einer US-Studie verloren Frauen, die ihren Alltag überwiegend sitzend verbrachten, nach der Menopause innerhalb eines Jahres 2,26 % ihrer Knochenmasse, während diejenigen, die stattdessen ein Krafttrainingsprogramm absolvierten, einen Anstieg von 1,17 % verzeichneten.


Warum ist regelmäßige physische Aktivität bei Osteoporose so bedeutsam? Erst körperliche Belastung regt Osteoblasten an: Zellen, die dafür zuständig sind, Knochensubstanz aufzubauen und zu regenerieren. Sie spüren kleine Defekte im Knochengewebe auf und reparieren sie.


Durch gezielte Belastung gewinnen Knochen an Stabilität, weil sich die feinen Knochenbälkchen – Trabekel - verstärken und vernetzen, dem Wolff'schen Gesetz (14) folgend, wonach sich Knochen an die Beanspruchung anpassen.


Außerdem stärkt Bewegung die Muskeln. Eine kräftige Muskulatur stabilisiert den Körper. Sie schützt vor Brüchen, indem sie Balance, Koordination und Trittsicherheit verbessert. Wer sein Gleichgewicht halten, Hindernissen ausweichen, sich im Fallen abstützen kann, ist eher imstande, fatale Stürze zu vermeiden.


Ein Gesundheitswesen, dem tatsächlich daran läge, Osteoporose wirksam, billig, und nebenwirkungsfrei vorzubeugen und zu behandeln, würde Stubenhockern und Couch Potatoes, Gesunden wie Betroffenen, möglichst attraktive Anreize schaffen, den Hintern hochzukriegen: für regelmäßiges Krafttraining, für Gleichgewichtsübungen, für Ausdauersport wie zügiges Gehen, Nordic Walking oder langsames Joggen. Aber schon jedes Tänzchen, jeder Hüpfer, jedes Treppensteigen wirkt präventiv.


Wieso an frischer Luft? Dort setzen wir uns dem Sonnenlicht aus, was die Knochendichte ebenfalls erhöht, weil es die körpereigene Produktion von Vitamin D ankurbelt, das für die Calciumaufnahme essentiell ist.


Unser Osteoporose-Risiko sinkt weiter, sobald wir uns von gewissen Lebensgewohnheiten verabschieden. Zuviel Alkohol beinträchtigt die Calciumaufnahme, was die Knochenneubildung stört. Übermäßig Koffein erhöht die Calciumausscheidung durch den Urin, was ebenfalls die Knochendichte negativ beeinflussen kann. Rauchen beeinträchtigt die Durchblutung und die Funktion der knochenaufbauenden Zellen (Osteoblasten) und die Aufnahme von Calcium. Dabei scheinen E-Zigaretten noch schädlicher als herkömmliche.


Wie steht es mit Übergewicht? Lange Zeit herrschte die Lehrmeinung vor, ein höheres Körpergewicht schütze die Knochen, weil es sie stärker mechanisch belastet, was der Knochendichte zugute käme. Inzwischen ist man schlauer: Übergewicht, vor allem wenn es mit einem hohen Anteil an viszeralem Fett - um die inneren Organe - einhergeht, fördert chronische niedriggradige Entzündungen im Körper. Diese können die Aktivität der Osteoklasten – der knochenabbauenden Zellen - erhöhen und den Knochenstoffwechsel stören. Leptin und Adiponectin - Hormone, die das Fettgewebe ausschüttet – fördern in hohen Konzentrationen den Abbau von Knochengewebe. Zudem kann sich bei ausgeprägtem Übergewicht Fettgewebe im Knochenmark ansammeln; dort beinträchtigt es die normale Funktion der knochenbildenden Zellen (Osteoblasten) und schwächt den Knochenaufbau.


Auch auch starkes Untergewicht und häufige Diäten beeinflussen den Knochenstoffwechsel negativ.


Das Risiko wegessen


„Lass deine Nahrung deine Medizin sein”, soll der griechische Arzt Hippokrates vier Jahrhunderte vor Christus gelehrt haben. Auch in Bezug auf unsere Knochengesundheit lag er dabei goldrichtig. Denn mit der Ernährung steht und fällt das Osteoporoserisiko. Reichlich Fast Food, Softdrinks und Süßigkeiten erhöhen es, wie auch zuviel tierisches Protein und künstliche Phosphate wie in Wurst und vielen Fertigprodukten. (Phosphatzusätze in verarbeiteten Lebensmitteln bringen das ideale Verhältnis von Calcium zu Phosphor in unserer Ernährung aus dem Gleichgewicht.) Wer ungesund isst, nimmt zuwenig Calcium, Vitamin D und andere wichtige Nährstoffe für die Knochengesundheit auf. Zuviel Salz fördert die Calciumausscheidung.  


Wie sieht eine knochenfreundliche Ernährung aus? Mediterran sollte sie sein - mit einem hohen Anteil pflanzlicher Lebensmittel, Vollkorn-Getreideprodukten, Olivenöl als wichtigster Fettquelle, wenig rotem Fleisch, moderaten Mengen an Fisch, Geflügel und Milchprodukten, mit Bohnen, Nüssen und anderen Hülsenfrüchten. Dafür spricht eine Studie, die im März 2018 beim Jahrestreffen der Endocrine Society in Chicago vorgestellt wurde. Von 103 Frauen, durchschnittlich 55 Jahre alt und somit in den Wechseljahren, wurden die Ernährungsweise, ihre Knochendichte, ihren Körperfettanteil und die Skelettmuskelmasse analysiert. Es zeigte sich: Je besser die Teilnehmerinnen die Regeln der mediterranen Ernährungsweise befolgten, desto höher war ihre Knochendichte.


Um den Körper ausreichend mit Calcium zu versorgen, bedarf es in der Regel keiner Pharmaprodukte. Viele Nahrungsmittel liefern es reichlich: allen voran Sojabohnen, Grünkohl, Brokkoli, getrocknete Feigen und dicke Bohnen, Leinsamen, Sesam, Haselnüsse und Mandeln, Milch und der Molketrunk aus der Quarkherstellung, manche Käsesorten, calciumreiches Mineralwasser.


Ein unausgeglichener Säure-Basen-Haushalt, insbesondere eine chronische Übersäuerung, schadet der Knochengesundheit und erhöht das Risiko für Osteoporose. Bei Übersäuerung ist der Körper darauf aus, den pH-Wert des Blutes im neutralen Bereich zu halten. Um überschüssige Säuren zu neutralisieren, verwendet er basische Mineralien, hauptsächlich Calcium aus den Knochen. – was dazu führt, dass Knochensubstanz abgebaut wird. Dies spricht für eine Ernährung, die reich an basischen Lebensmitteln ist. Dazu zählen vielerlei Obst und Gemüse, Nüsse und Samen, Kräuter und Gewürze.


Auch chronische Entzündungen fördern Osteoporose, deshalb müssen sie erkannt und behoben werden. Denn sie führen zu einer vermehrten Produktion von Zytokinen wie Tumornekrosefaktor-alpha (TNF-α), Interleukin-1 (IL-1) und Interleukin-6 (IL-6). Diese stimulieren die Aktivität der Osteoklasten, was zu einem vermehrten Knochenabbau führt. Eine entzündungshemmende Ernährung, die weitgehend der mediterranen entspricht, senkt deshalb das Osteoporose-Risiko: eine mit reichlich Früchten, Gemüse, Sprossen und Salaten, Vollkornprodukten, Nüssen, Saaten, Hülsenfrüchten, Fisch oder anderen Omega-3-Fettsäurenquellen.


Den Nutzen belegen eindrucksvoll Daten aus der Women's Health Initiative (WIH) Study, der umfangreichsten Gesundheitsstudie mit Frauen nach den Wechseljahren, die jemals in den USA stattfand. Bei über 160.000 Teilnehmern im Alter von durchschnittlich 63 Jahren, die vor Studienbeginn noch nie eine Hüftfraktur erlitten hatten, kam es im sechsjährigen Beobachtungszeitraum zu Brüchen der Hüfte umso häufiger, je mehr entzündungsfördernde Bestandteile ihre Ernährung enthielt; ihr Risiko stieg um 50 %. Von 10.290 dieser Frauen lagen außerdem die Knochendichtewerte vor; diese gingen erheblich weniger zurück, wenn sie sich entzündungshemmend ernährten. (15)


Weil Knochen aus Mineralien bestehen, hängt die Knochenstärke davon ab, dass wir sie uns über die Nahrung zuführen: neben Calcium auch Magnesium, Phosphor - nach Calcium das mengenmäßig häufigste Mineral im menschlichen Körper (16) -, Kalium und Silizium (17) sowie Spurenelemente wie Zink (18), Bor (19) und Kupfer. Immer häufiger mangelt es leider daran. Industrielle Landwirtschaft ließ Ackerböden an essentiellen Mikronährstoffen und Mineralien chronisch verarmen. Mineralstoffreiche Bestandteile von Lebensmitteln werden bei deren Verarbeitung entfernt, z.B. beim Raffinieren von Vollkorngetreide. Glyphosat, das allgegenwärtige Pestizid, verhält sich wie ein Chelatbildner, der wichtige Mineralien im Boden bindet, insbesondere die +2-Kationen wie Magnesium - und somit verhindert, dass sie in unseren Körper gelangen.


Auch Vitamine sind am Knochenaufbau aktiv beteiligt, neben D insbesondere Folsäure (B9), B12C und K. Erst mittels Vitamin K kann im Knochen das Protein Osteocalcin gebildet werden, das Calcium bindet; mangelt es daran, so erhöht sich das Risiko für osteoporotische Knochenbrüche erheblich, wie sich in einer Studie aus dem Jahre 1999 mit über 72.000 Teilnehmern zeigte. (Allerdings müssen Vitamin K und D in ausgewogenem Verhältnis zueinander stehen. Mangelt es an Vitamin K, so erhöht ein gleichzeitiger Überschuss von Vitamin D das Osteoporoserisiko weiter.) Besonders ergiebige Vitamin-K-Quellen sind grüne Blattgemüse und Kräuter, allen voran Grünkohl, aber auch Brokkoli, Blumenkohl, Rosenkohl, Spinat, Portulak, Schnittlauch, Petersilie. Alternativ eignet sich ein Graspulver – je nach Geschmacksvorlieben aus Weizen-, Kamut-, Gersten-, Dinkelgras, gerührt in Wasser oder den eigenen Lieblingssaft.


Isoflavone - Pflanzenstoffe mit stark antioxidativer, entzündungshemmender und hormonregulierender Wirkung – können ebenfalls zum Osteoporoseschutz beitragen. Sie kommen reichlich in Soja vor, aber auch in Heilpflanzen (20) wie Helmkraut, Ackerschachtelhalm, Brennessel, Rotklee, Mönchspfeffer und Trauben-Silberkerze. Leinsamenöl scheint unsere Knochen ebenfalls zu schützen und zu stärken.


Aber falls all dies immer noch zuwenig bringt? Dann wären Homöopathie und Schüssler-Salze, ja sogar Akupunktur durchaus einen Versuch wert. Ermutigende Erfahrungsberichte liegen zur Genüge vor. Und selbst wenn solche unkonventionellen Ansätze weniger ausrichten als erhofft, bleiben Patienten zumindest die üblen Nebenwirkungen der Pharmakeule erspart.


Und wenn die Osteoporose “sekundär” ist, d.h.von einer anderen Erkrankung herrührt, welche die Knochenqualität verschlechtert? Beispielsweise von einer Überfunktion der Schilddrüse; einer entzündlichen Erkrankung wie rheumatoide Arthritis oder Morbus Crohn; einer Renalen Osteopathie, bei der eine chronische Niereninsuffizienz den Mineralstoffwechsel stört? Dann gilt es, zuallererst diesen Grunderkrankungen beizukommen. Dass Natur- und Erfahrungsheilkunde dabei schlechter abschneiden als die Schulmedizin, harrt des Beweises.


Welche Arzneimittel unseren Knochen schaden


Medikamente gehören dringendst auf den Prüfstand. Antidepressiva, insbesondere die sog. selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI), verringern die Knochendichte; in einer US-Studie lag das Knochenbruchrisiko schon nach einjähriger Einnahme um 76 % höher als in einer Kontrollgruppe ohne SSRI.


Auch Magensäureblocker – Protonenpumpenhemmer - wie Prilosec schaden unserem Skelett. Steroide wie Prednison erhöhen das Osteoporoserisiko ebenfalls erheblich; typisch dosiert, sorgen sie für einen jährlichen Knochenverlust von 5 bis 15 %. Das Risiko von Knochenbrüchen, insbesondere in Wirbeln, verdoppelt sich; bei Patienten, die Steroide hochdosiert einnehmen, verfünffacht es sich sogar. Bei 37 % aller Langzeitanwender kommt es irgendwann zu Wirbelbrüchen.


Bestimmte Arzneimittel gegen Diabetes Typ 2, die sogenannten Glitazone, erhöhen nach der Menopause ebenfalls das Risiko für Knochenbrüche – es verdoppelt sich. Für Diabetikerinnen ist dies besonders fatal, weil Hüftfrakturen unter ihnen ohnehin schon zwei Mal häufiger vorkommen.


Brandgefährlich sind Hormonblocker wie Lupron, welche die körpereigene Produktion von Sexualhormonen ausschalten. Das Skelett schwächen sie so erheblich, dass manche Betroffenen klagen, sie hätten “Knochen wie ein 80-Jähriger”. Ein amerikanischer Arzt berichtet von Fällen junger Erwachsener, deren Armknochen brach, als sie sich gegen eine Hauswand lehnten, oder von ihrem Zahnarzt erfuhren, dass sie ein künstliches Gebiss brauchen.


Auch Aromatasehemmer sind bedenklich. Sie verringern die Östrogenproduktion im Körper, indem sie ein Enzym blockieren, das an der Umwandlung von männlichen Hormonen (wie Testosteron) in weibliche mitwirken. Auch dies kann einen Knochenverlust auslösen.


“Die Wahrheit ist einfach”


Warum wohl kommt es in Westafrika zu deutlich weniger osteoporotischen Hüftfrakturen pro 100.000 Einwohner (3) als in Europa (408 in Österreich, 532 in Norwegen)?


 “Die Wahrheit ist einfach”, lehrte Buddha – so einfach, dass selbst die unglückselige Ottilie sie hätte kapieren können. Das Wichtigste, was es über Prävention und Behandlung der Osteoporose festzuhalten gilt, erfordert kein dickes Lehrbuch – es passt in eine einzige Zeile: Bewege dich viel an frischer Luft. Und ernähre dich gesund. Zeitlebens. 


So simpel könnte Heilkunde manchmal sein. Aber an so einer gäbe es für den medizinisch-industriellen Komplex halt nichts mehr zu verdienen.



Anmerkungen

1        WHO Scientific Group on the Prevention and Management of Osteoporosis (2000 : Geneva, Switzerland) (2003). "Prevention and management of osteoporosis: report of a WHO scientific group" (PDF)

2        WHO (1994) "Assessment of fracture risk and its application to screening for postmenopausal osteoporosis. Report of a WHO Study Group". World Health Organization technical report series 843: 1-129

3        “Kaukasier” –engl. caucasian – ist ein in medizinischen Publikationen nach wie vor gängiger Begriff. Er umfasst, wissenschaftlich verbrämt, nichts anderes als Menschen mit heller Haut: fast alle Europäer und westliche Asiaten. Den Terminus prägte der deutsche Anthropologe Johann Friedrich Blumenbach (1752-1840) vor über 200 Jahren.

4        Zit. nach Gina Kolata: "Bone Diagnosis Gives New Data But No Answers", New York Times, 28.9.2003

14    So heißt es nach dem Berliner Anatom und Chirurgen Julius Wolff. Es besagt: Der Knochen passt sich in seiner Form und Struktur an die auf ihn einwirkenden mechanischen Belastungen an. Reichen sie aus, so baut sich der Knochen auf und nimmt an Festigkeit und Knochendichte zu. Bei fehlender oder geringer Belastung hingegen baut er sich ab. Siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Wolffsches_Gesetz; https://www.osd-ev.org/osteoporose/knochen/belastung/; https://jwi.charite.de/publikationen/julius_wolff_buch/

16    Über 85% des Phosphors in unserem Körper befinden sich in anorganischen Verbindungen mit Calcium, hauptsächlich im Skelett und in den Zähnen: https://www.vitalstoff-lexikon.de/Mineralstoffe/Phosphor/Definition-Synthese-Resorption-Transport-und-Verteilung; https://www.eucell.de/ernaehrung/ernaehrungslexikon/mineralstoffe/phosphor

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