Soweit der Arzt entscheidet, welche Medikamente ein Patient bekommt, sind Pharmahersteller auf seine Kooperation angewiesen. Wie lassen sich Verschreibungsgewohnheiten industriefreundlich ändern?
Die Rezeptpflicht haben bekanntlich ultralinke Saboteure freier Marktwirtschaft ausgeheckt. Sie bezweckt, dem mündigen Bürger von oben herab gewisse Waren vorzuenthalten, es sei denn, er liefert sich der Willkür eines Weißkittels aus, der ihm nach eigenem Gutdünken einen Berechtigungsschein ausstellen, aber auch verweigern kann.
Diese autoritäre Verschreibungspraxis hemmt den Absatz von Produktneuheiten auf vielerlei Weise, die für Hersteller und ihre Aktionäre überaus ärgerlich sind. Allzu vielen Ärzten kommen die grundsätzlich bahnbrechenden, stets evidenzbasierten Innovationen auf dem Arzneimittelmarkt nicht umgehend zu Ohren. Oder sie ziehen ihnen, grundlos risikoscheu, schon eingeführte, meist preiswertere Medikamente vor, mit weitgehend bekannten Wirkungen und Nebenwirkungen. Oder, schlimmer noch: Sie verordnen zu wenig, zu spät oder erst mal gar nix, plädieren fürs Abwarten, raten zu bewährten Hausmitteln, womöglich im Irrglauben, Pharmaprodukte seien manchmal höchstens die zweitbeste Lösung.
Solche auf den Rezeptblock bezogene Schreibblockaden zu beseitigen, ist kein Kinderspiel. Schließlich zählen Ärzte zu den hellsten Köpfen im Land – hochgebildet, geistreich, kritisch. Durchschaut so jemand nicht mühelos jedes Manöver, ihn für schnöde Geschäftszwecke einzuspannen? Im übrigen verdienen Ärzte bekanntlich prächtig, so dass sie es gar nicht nötig haben, sich bestechen zu lassen, nicht wahr? Außerdem lässt ihnen der übliche Arbeitsalltag, in dem Zehn- bis Zwölf-Stunden-Tage die Regel sind, ja überhaupt keine Zeit, in Situationen zu geraten, in denen sie Zielscheibe von Korruptionsversuchen werden könnten. Hinzu kommt, dass strenges Standesrecht Vorteilsnahme ausschließt; sie würde unerbittlich sanktioniert, kein Arzt riskiert das.
Wer sich mit diesen Beruhigungspillen zufriedengibt, benötigt schleunigst Nachhilfeunterricht in Pharma-Marketing. Diese Artikelserie bemüht sich darum:
1) Dressierte Halbgötter – Wie Ärzte zu Drogendealern werden
Anmerkung
Näheres in Harald Wiesendanger: Das GesundheitsUNwesen – Wie wir es durchschauen, überleben und verwandeln, Kap. 6: „Dressierte Halbgötter“ und Kap. 7 „Nimmersatte Mietmäuler“.
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