Bei weitem nicht alle Patienten, die ein Therapiecamp der Stiftung Auswege besuchen, werden dort ihre Beschwerden los, manche erleben nicht einmal eine Symptomlinderung. Weshalb sich die allermeisten nach neun Tagen trotzdem zufrieden, teilweise begeistert von uns verabschieden, veranschaulichen die drei folgenden Fälle.
Kann man heil werden, ohne kuriert zu sein - viel gesünder, ohne dass Symptome erheblich nachlassen? Danach sollte man Markus, Klaus und Walter (Pseudonyme) fragen, drei Teilnehmer eines „Auswege“-Therapiecamps Ende 2013 in Schwarzenborn nahe Kassel. Obwohl ihre anfänglichen Erwartungen dort eher enttäuscht wurden, sind sie in einem wichtigen, umfassenderen Sinne genesen.
„Mit das Beste, was ich bisher gemacht habe“
Keine nennenswerte Symptomlinderung, wohl aber einen erheblich „besseren Allgemeinzustand“ verdankt Markus* (55) nach eigenen Angaben seiner Campteilnahme. Seit über dreißig Jahren leidet der Tischler und Restaurator an Colitis ulcerosa, einer chronischen Entzündung von Mast- und Dickdarm, mit „Darmblutungen, Geschwüren und Durchfall“, wie er uns zuvor schrieb. Operiert wurde bisher nicht, Markus nimmt täglich Cortison. Um 1990 wurde bei ihm darüber hinaus Morbus Bechterew diagnostiziert: eine chronisch entzündliche rheumatische Erkrankung mit Schmerzen und Versteifung von Gelenken. In beiden Fällen brachten etliche schulmedizinische und alternative Therapien bisher „keine Erfolge“, berichtete er.
Daran änderte sich auch während der Camptage nichts: „Durchfall: gleichbleibend, eher etwas schlechter, auf die veränderte Ernährung zurückzuführen“, notierte er abschließend in seinem Patienten-Fragebogen. Lediglich „mit dem Rücken“ sei es „besser geworden“, berichtete er uns gegen Jahresende. Hingegen hat sich ein Hautausschlag im Gesicht während und nach der Campwoche eher verschlechtert.
In psychischer Hinsicht profitierte er, nach Einschätzung des Camparztes, allerdings erheblich: „Sein Hauptproblem sind Selbstzweifel. Als sich diese besserten und aufzulösen begannen, hat sich sein Gesamtzustand sehr stabilisiert. Jetzt traut er sich sowohl beruflich als auch familiär einen Neuanfang zu. Schon vor dem Camp hatte er dazu neue Schritte eingeleitet, wusste aber nicht, ob er sich diese zutrauen kann. Nun geht er viel mutiger und zuversichtlicher nach Hause“ – und das bestätigen uns zwei E-Mails von Markus kurz vor Silvester 2013: „Die Woche bei ‚Auswege’ gehört zweifellos mit zum Besten, was ich bisher gemacht habe. Nachhaltig bleibt die ungeheure Kraft und Energie dieser Woche, ihr Nachhall und mein Zugang hierzu – vielen Dank dafür!“ Insbesondere geholfen hat ihm, „den Sinn der Krankheit zu begreifen, sie als ‚Geschenk’ zu verstehen“, mit der Aufforderung, „mit mir und Anderen liebevoll umzugehen“.
„Juhu!!!!“
Ein weiterer Teilnehmer, der aus Schwarzenborn weitaus mehr mitnahm als Symptomlinderung, ist Klaus* (59). Im Frühjahr 2012 hatte der Diplom-Ingenieur einen schweren Schlaganfall erlitten; diesem war ein Hörsturz vorausgegangen, der einen zeitweiligen Ausfall des Gleichgewichtssinns zur Folge hatte. „Jetzt im Juni erlitt er einen Herzinfarkt“, so schrieb uns seine ratlose Ehefrau vorab. „Einige Tage später hatte er Fieber, Schmerzen im Oberbauch, ununterbrochen Kopfschmerzen, Gedächtnisstörungen, neurologische Ausfälle, wiederum unklarer Genese. Wie durch ein Wunder begegnete uns in größter Not ein hervorragender Ganzheitsmediziner und Kardiologe, der auch Energie- und Umweltmedizin praktiziert. Er ‚päppelte’ meinen Mann in den letzten Wochen wieder auf, unter anderem mit Prana-Heilen, Elektroakupunktur und Infusionen. Da er noch eine Anämie entwickelte, folgten Untersuchungen.“ Die Endoskopie wies einen Darmpolypen nach, der Ende August entfernt wurde. Kurz darauf kam es zu einem weiteren Herzinfarkt. „Es wurden stark verengte Gefäße festgestellt. Da er weder raucht noch sonstige Risikofaktoren bedient, ist das für uns schwer zu verstehen.“
Seine Symptome hätten „deutlich nachgelassen“, zog Klaus bei Campende Bilanz: „keine Atemnot mehr, ruhigerer Puls (unter 60), Blutdruck völlig normal (110/70). Ich fühle mich gesund.“ Was er darüber hinaus aus unserem Camp mitnahm, ist die „deutlich gestiegene Motivation, etwas in meinem Leben zu verändern“, notierte er abschließend im Patienten-Fragebogen. Fünf Tage später mailte er uns: „Diese eine Woche hat bei mir so viel bewegt, ich habe so viel gelernt, dass ich es normalerweise gar nicht glauben kann. Es waren nicht nur die Behandlungen oder die Begegnungen mit mir fremden Menschen – es war das Gesamtpaket, das auf mich gewirkt hat. Meine Frau hörte ich in einem Telefonat mit ihrer Schwester sagen, ich sei als neuer Mensch zurückgekommen.“ In einem Dutzend Heilsitzungen war Klaus klar geworden, dass „meine Arbeit mir nicht gut tut, Stress und Druck schaden meiner Gesundheit. Es war mir wichtig, zu Hause nicht wieder in alte Muster zu verfallen, sondern am Leben noch etwas teilzunehmen. Noch während der Therapiewoche verabredete ich mich telefonisch mit meinem Oberboss zu einem Essen am Abend des letzten Camptags. Dazu fuhr ich direkt vom Camp nach Holland – und ICH HABE GEKÜNDIGT!!!!“ (Vier Ausrufezeichen.) „Dieser Entschluss ist bei mir dank eurer aller Mithilfe gereift, bis hin zur Tat! Juhu!!!!“ (Vier weitere Ausrufezeichen.) „MIR GEHT ES GUT!!!“ (Drei Ausrufezeichen.)
„Unvergleichlich mehr Energie“
Ähnlich gemischt fällt die Campbilanz von Walter* aus, mit 79 zweitältester Patient im selben Auswege-Camp. Seit über 15 Jahren belastete den Rentner eine chronische Bronchitis, zu der im Laufe der Jahre eine immer wiederkehrende Entzündung der Nasennebenhöhlen - rezidivierende Sinusitis - kam. Beides führte zu „eitrigem Auswurf und Atemnot, zu Schwäche und Energielosigkeit“, wie er uns klagte. Seit Frühjahr 2000 lag außerdem eine Polyneuropathie vor, eine Erkrankung des peripheren Nervensystems, die bei dem Rentner unter anderem eine „zunehmende Gefühllosigkeit der Beine“ verursachte.
In beiden Fällen seien die Beschwerden „im wesentlichen gleichgeblieben“, stellte er bei Campende fest. Viel wichtiger war ihm allerdings, was die Campteilnahme in seiner Psyche in Gang setzte: „Ich habe unvergleichlich mehr Energie und bekam praktikable Ansatzpunkte zur Selbstheilung. Der geistig-seelische Gewinn war außerordentlich hoch, zum Teil unbeschreiblich.“ Auf den leitenden Camparzt wirkte Walter „am Ende viel entspannter, zielgerichteter, dynamischer, zuversichtlicher, sichtlich begeistert von alledem, was er im Camp erlebt hat – dabei war er niedergeschlagen und eher mutlos zu uns gekommen.“ Bei uns begegnete er einer Art von Medizin, die Symptomträger als ganze Personen wahr- und ernstnimmt. In mehreren intensiven Therapiegesprächen ging es um Walters Vision: In Südamerika wollte er für arbeitslose Jugendliche „etwas aufbauen“, um ihnen eine schulische Bildung und damit bessere Lebenschancen zu geben. „Wir zeigten ihm auf, dass auch bei uns in Deutschland noch genügend Bedarf für Hilfe ist und er sich ‚auf seine alten Tage’ nicht noch mit immensen bürokratischen Hindernissen abzuschinden braucht“, berichtet unser Camparzt. „Diese Form von Denken motivierte ihn, gab ihm Mut und Freude – und machte seine Probleme unbedeutend, nicht mehr ‚ge-wichtig’.“
Dieser Betrag stammt aus dem Buch von Harald Wiesendanger: Auswege – Kranken anders helfen (2015).
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