Optimisten sind gesünder. Also sollten Patienten positiv denken? Kann man das lernen? In den Therapiecamps meiner Stiftung Auswege wird versucht, Kranke von übersteigertem Pessimismus zu befreien und ihnen eine Zuversicht zu vermitteln, die auf einer realistischen Einschätzung der eigenen Möglichkeiten beruht – nicht auf rosarotem Wunschdenken.
W er schwerkrank in ein „Auswege“-Camp kommt, betritt kein Jammertal, in dem gemeinsam Wunden geleckt, eimerweise Tränen vergossen und Klagelieder auf das ungerechte, grausame Schicksal angestimmt werden. Ihn erwartet Mitgefühl, aber kein Mit-Leid. Seine Beschwernisse werden ernstgenommen, Vorrang hat aber, ihn davon zu entlasten – nicht nur, indem seine Symptome gelindert werden, sondern auch durch eine geistige Befreiung, hin zu neuen Perspektiven, Hoffnung und Zuversicht.
Denn ausufernder Pessimismus tut niemandem gut, schon gar nicht Menschen, denen es krankheitsbedingt ohnehin schon schlecht geht. Unter den Campteilnehmern treffen wir immer wieder auf Charaktere, die sich meisterlich aufs Schlechtreden ihrer selbst („Das schaffe ich ja doch nicht!“, „Da ist nichts mehr zu machen!“), auf kreatives Zersetzen („Das bringt unmöglich etwas!“) und das Rollenspiel des hilflosen Opfers verstehen. Allen Übeln dieser Welt fühlen sie sich wehrlos ausgesetzt: dem ungerechten Herrgott, dem grausamen Schicksal, blindem Zufall oder bösen Anderen. Stets sind sie aufs Schlimmste gefasst, unternehmen aber wenig bis gar nichts, es zu verhindern – es nützt ja sowieso nix.
In solchen Patienten Optimismus zu wecken, hat beachtliche medizinische Gründe. Eine Vielzahl von wissenschaftlichen Studien deutet übereinstimmend darauf hin, dass zuversichtliche Menschen sich rascher von Operationen erholen; nach Verletzungen heilen ihre Wunden schneller; nach Infektionen und Impfungen produzieren sie mehr Antikörper; sie spüren weniger Schmerz, gehen seltener zum Arzt, stecken sich weniger häufig mit Erkältungserregern an, entwickeln seltener Hypertonie - krankhaft hohen Bluthochdruck -, ein Herzleiden oder die Parkinson-Krankheit; ihr Risiko, depressiv und dement zu werden, ist geringer. Weil sie gelassener auf Stress reagieren, sich weniger sorgen, bei Problemen eher an Lösungen glauben und kreativ nach solchen suchen, schüttet ihr Körper weniger Stresshormone wie Adrenalin aus, ihr Herzschlag bleibt ruhiger, der Blutdruck niedriger.
Optimismus, so nehmen Evolutionsbiologen und Neurologen an, ist mehr als bloß eine intellektuelle Option neben anderen. Er entwickelte sich schon früh in der Menschheitsgeschichte, hat sich in unserem Genom verankert und tief in unser Gehirn eingebrannt: in den ausgeprägten Frontallappen, mit deren Entwicklung unsere fernen Vorfahren begannen, Werkzeuge herzustellen, neue Problemlösungen zu finden, Handlungen zu planen, durch die ihre Ziele leichter erreichbar wurden – und vor allem Selbstbewusstsein zu erlangen, einschließlich der Fähigkeit zur bewussten Vorausschau.
Damit verschaffte sich homo sapiens einen klaren Überlebensvorteil, allerdings zu einem hohen Preis: Die Gewissheit, dass uns irgendwann in der Zukunft Alter, Krankheit, das Nachlassen geistiger und körperlicher Kräfte, schließlich der Tod erwarten, stimmt nicht sonderlich optimistisch. Nach Ansicht des US-Mediziners Ajit Varki von der Universität San Diego hätte das Wissen um die eigene Sterblichkeit für sich genommen die Evolution in eine Sackgasse geführt (1): Existenzielle Verzweiflung hätte die alltäglichen Funktionen beeinträchtigt, die zum Überleben notwendigen Aktivitäten und kognitiven Vorgänge zum Erliegen gebracht. Ein zögernder, grüblerischer Melancholiker, der niedergeschlagen durch die Steppe schlurft und der letztlichen Vergeblichkeit allen Trachtens und Mühens nachsinnt, wäre im evolutionären Überlebenskampf gewiss kein Siegertyp gewesen. Die Fähigkeit zu bewussten mentalen Zeitreisen, so Varki, konnte im Laufe der Evolution nur dann begünstigt werden, wenn sich gleichzeitig geistige Mechanismen ausbildeten, Übles zu verdrängen, das auf einen zukommt. Mit anderen Worten: Mit dem Vermögen, sich die Zukunft auszumalen, musste sich zeitgleich die Neigung zum Optimismus entwickeln – um Wissen zu verdrängen, das im Daseinskampf belasten würde. „Ein Gehirn, das bewusst durch die Zeit reisen kann, wäre ohne realistischen Optimismus eine evolutionäre Barriere“, meint die Neurologin Tali Sharot von der Universität London: Bewusste Vorausschau mit Optimismus zu paaren, war notwendig, weil „eines ohne das andere nicht überdauert hätte.“ (2)
Hinweise darauf, dass uns allen ein genetisch mitgesteuerter Akku des inneren Sonnenscheins in die Wiege gelegt worden ist, liefert die Zwillingsforschung. Etliche Studien an ein- und zweieiiigen Zwillingen, die getrennt in teilweise recht unterschiedlichen Milieus aufgewachsen sind (3), deuten darauf hin: Ein beträchtlicher Teil des Optimismus liegt im menschlichen Erbgut. (Expertenschätzungen bewegen sich in einer Bandbreite von 25 bis 50 Prozent.)
Diese angeborene Zuversicht, unserem Gehirn regelrecht imprägniert, beschert uns viele Vorzüge, sie erleichtert das Leben, das Selbstgewisse eher belohnt als Zögerer. Optimisten sind beliebter, werden als attraktiver wahrgenommen, haben mehr Freunde, ihre Ehen funktionieren besser, sie finden leichter Arbeit, kommen auf Karriereleitern zügiger voran. Milde Verblendungen lindern Angst, bewahren vor Zaghaftigkeit und unnötigen Selbstzweifeln, stärken den Mut, vertraute Pfade zu verlassen, Neues in Angriff zu nehmen, sich ehrgeizige Ziele zu setzen. Ein frohgemuter Charakter stabilisiert die Psyche, vertreibt Missstimmungen zügiger. Statt über die Dunkelheit zu jammern, zündet der Optimist eine Kerze an; um Schatten hinter sich zu lassen, wendet er sich einfach der Sonne zu; dass das Licht am Ende des Tunnels auch ein entgegenkommender Zug sein könnte, beunruhigt ihn nicht. Erfolge hält er sich selber zugute, Misslungenes hingegen führt er eher auf Zufall, widrige Umständen oder sabotierende Mitmenschen zurück – das hilft Rückschläge wegzustecken, stärkt das Durchhaltevermögen, wappnet gegen Minderwertigkeitsgefühle, poliert das Selbstbild auf. Von daher rät einer der weltweit angesehensten Psychologen unserer Zeit, der Nobelpreisträger Daniel Kahneman: „Wenn Sie einen einzigen Wunsch frei haben für Ihre Kinder, ziehen Sie ernsthaft Optimismus in Betracht.“ (4)
Nicht erst bewusste Entscheidungen aufgrund gesammelter Erfahrungen, sondern neuronale Vorprogrammierungen machen uns von Kindesbeinen an dazu geneigt, unangenehme Informationen eher flüchtig zur Kenntnis zu nehmen, uns Unerfreuliches nur dürftig und distanziert vorzustellen, während wir uns Positives lebhaft ausmalen, in Details schwelgen, absehbar Schönes im voraus auskosten. Die Tendenz zur Schönfärberei ist uns allen angeboren – erst häufige, langanhaltende Frustrationen können sie kippen und ins Gegenteil umschlagen lassen.
Der eingebaute Zuversichtsgenerator, mit dem wir zur Welt kommen, bleibt intakt, wenn frühkindliches Urvertrauen durch eine sichere, schützende, verlässliche Bindungen bietende Umgebung bestätigt wird, insbesondere durch eine Mutter, die liebevolle Zuwendung und Fürsorge bietet. Der Generator kann Schaden nehmen, wenn dieses Urvertrauen enttäuscht und zerstört wird, und schließlich ganz aussetzen: durch traumatische Schockerlebnisse oder wenn bedrückende Erfahrungen allzu lange, schmerzlich und scheinbar unabänderlich anhalten.
Wenn Optimismus dermaßen segensreich ist: Kann man ihn lernen, falls er verlorengegangen ist? Lässt sich die anscheinend so heilkräftige Zuversicht durch irgendwelche Übungen herbeibeschwören? Leiten wir in „Auswege“-Camps dazu an?
Täten wir es, so begäben wir uns in gefährliches Fahrwasser. Wir gerieten in ideologische Nähe zu einem aufsässigen Zeitgeistphänomen, das in den USA seit Jahrzehnten geradezu epidemisch immer größere Bereiche des öffentlichen Lebens durchdringt und längst auch in Westeuropa Fuß gefasst hat: die Bewegung des „Positiven Denkens“. In Gang gekommen kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs, nahm sie seit den sechziger Jahren rasant Fahrt auf, propagiert von wortgewandten Lebenshelfern mit Gespür für griffige, eingängige Slogans und Parolen - namentlich Dale Carnegie, Joseph Murphy, Norman Vincent Peale und Frederick Bailes. Verunsicherten, desillusionierten, verzagten Mitbürgern verkündeten sie eine frohe Botschaft von beeindruckender Schlichtheit: Gesund, glücklich, erfolgreich und steinreich zu werden, ist weder Zufall noch Schicksal noch das Ergebnis langwierigen, angestrengten Bemühens, sondern kinderleicht zu haben - durch konsequente Änderung der Denkweise. Blende Negatives systematisch aus, sei immer nur positiv. Der Rest ergibt sich wie von selbst.
So verlockend klang diese Verheißung, dass daraus im Nu ein florierender Markt der Selbstbeglückung erblühte. In Bestsellerlisten schießen die Ratgeber der Chefpropagandisten seither zuverlässig auf Spitzenpositionen (5); bereitwillig räumen Fernsehsender für sie Programmplätze, Illustrierte Titelseiten frei; mit Kick-offs, Push-ups und Tsjakkaa!-Gebrüll füllen Motivationstrainer mühelos ganze Säle; „Coaches“ werden die Praxistüren eingerannt, so als hielte dort Pinocchios blaue Fee Audienz (6), Workshops von Selbsthilfe-Gurus sind zuverlässig ausgebucht, zu stetig steigenden Preisen. Unterstützende „Mental-CDs“ mit Subliminals, unterschwelligen Botschaften, sind zu Kassenschlagern geworden, auch Kalender, Grußkarten, T-Shirts, Schlüsselanhänger, Kugelschreiber, Geschirr, selbst bedruckte Autoreifen mit erbaulichen Sinnsprüchen, „wissenschaftlichen Gebeten“ und „positiven Affirmationen“ zur Selbstmanipulation, finden reißenden Absatz. Hotlines machen stimulierende Kurztexte abrufbar. Das Grinse-Smiley ist zum meistverwendeten Ausdrucksmittel der Internetkommunikation geworden, in Montana eröffnete ein Lokal als „Positive Pizza and Pasta Place“ – offenbar in Abgrenzung von all den missmutigen, trübsinnigen Pizzabäckern andernorts -, eine Einzelhandelskette wirbt mit dem Motto „Das Leben ist schön“, Bobby McFerrins Überraschungshit „Don´t Worry, Be Happy!“ ist zum zeitlosen Ohrwurm geworden, und der kernige Slogan „Yes, we can!“ bahnte Barack Obama den Weg ins Weiße Haus.
Willkommene Schützenhilfe leistete die in den sechziger Jahren aufkommende Esoterikwelle, ins Rollen gebracht teils durch aufsehenerregende „übernatürliche“ Phänomene, teils durch den Import fernöstlicher Weisheitslehren und Selbstoptimierungstechniken. Ein Großteil dessen, was Buddha unter „richtigem Denken“ verstand, fügt sich vortrefflich in den Zitatenschatz von Murphyanern und Carnegisten ein. Auf dem Pfad zur Erleuchtung verbindet der Buddhist positives Denken mit Meditation. Im Yoga beispielsweise finden sich zwei Übungen namens „Gehen“ und „Radfahren“, bei der man denken soll: „Ich gehe den Weg des Positiven“; bei der einen geht man währenddessen auf der Stelle und bewegt die Arme wie die Treibstangen einer Dampflokomotive, bei der anderen imitiert man mit Armen und Beinen die Bewegungsabläufe beim Radfahren. im zweiten Fall wählt man zusätzlich „meinen positiven Satz für heute“: Welcher gibt mir Kraft und Mut? Was stimmt meinen Geist positiv?
Wenn man psychokinetisch Löffel verbiegen, durch konzentrierte Willenskraft ohne Schmerzen barfuß über glühende Kohlen laufen, stundenlang auf Nagelbrettern ausharren, sich an eisernen Haken in den Brustwarzen aufhängen lassen oder mit bloßen Händen einen Stapel Ziegelsteine zertrümmern kann: Erweist sich darin nicht die grandiose Macht des menschlichen Geistes? Dass Psi-Phänomene, soweit sie nicht auf Tricks und Täuschungen beruhen, überaus selten und nie berechenbar auftreten; dass die weitgehende Schmerzunempfindlichkeit von Fakiren, die monströse Kraftmeierei von Eisenhemd-Qigonglern, Shaolin-Mönchen und anderen asiatischen Kampfkünstlern jahrelanges, hartes Training voraussetzen; dass Spektakel wie der Feuerlauf sehr wohl durch physikalische Faktoren erklärbar sind, deren Missachtung auch bei Positivstgestimmten zu schweren Verbrennungen führen kann: All dies ist Salz in der rosa Suppe, das sich im rechten Neugeist mühelos wegschmecken lässt.
Seit den achtziger Jahren erfasst der Selbstoptimierungsboom zunehmend das Big Business. Immer mehr Firmen lassen Mitarbeiter in Seminaren zu Positivdenkern schulen, holen Motivationsgurus ins Haus; großformatige Motivationsposter zieren Bürowände, in Werkskantinen stehen Kaffeetassen mit anspornenden Sprüchen herum. Führungskräfte lernen, durch positives Denken zu kreativeren Problemlösern und erfolgreicheren Performern zu werden. („The Sky is the Limit.“) In die amerikanische Unternehmenskultur hat „positive“ Kommunikation Einzug gehalten, mit dem Dauerlächeln potentieller „Gewinner“ gepflegt von jederzeit ausnahmslos „positiv“ gestimmten Belegschaften. Gekündigte werden nicht mehr gefeuert, sondern „freigestellt“, um anderswo „eine Chance zum Neuanfang“ nutzen zu können.
Diesen Boom mit akademischen Weihen zu versehen, nahm der US-Psychologe Martin Seligman Ende der neunziger Jahre mit seiner „Positiven Psychologie“ in Angriff. Mit seinem Anspruch, die Versprechen der Bewegung „wissenschaftlich“ abzusichern, verlieh er ihr zusätzliche Schubkraft, öffnete ihr sogar Türen in Regierungsstellen. 145 Millionen Dollar stellte das Pentagon 2009 für ein maßgeblich auf Seligman zurückgehendes Programm namens „Comprehensive Soldier Fitness“ bereit, um Soldaten der U.S. Army für den Kriegsfall künftig auch inwendig zu rüsten. Dass sich die „Positive Psychologie“ längst aus der seriösen Wissenschaft ins kommerzielle Psychodoping verabschiedet hat und mit allerlei schlichtem Heimwerkerzeug zur Stimmungsoptimierung hausieren geht, beunruhigt die Auftraggeber anscheinend nicht.
Dass ausgerechnet die USA zur Brutstätte des „positiven Denkens“ wurde, hat religionsgeschichtliche Gründe, die ihr bereits in die Wiege gelegt worden waren. In die Neue Welt hatten die ersten weißen Siedler den Calvinismus mitgebracht: das krasse Gegenteil von weltlicher Zuversicht, denn ihr Gott verdammte jegliche diesseitigen Freuden, nur harte, selbstquälerische Arbeit ließ er gelten; das Dasein auf Erden ist gottgewollt hart, und Sünder erwartet die ewige Hölle. Gegen diese moralinsaure, zutiefst deprimierende Form von Protestantismus, die über zwei Jahrhunderte lang das amerikanische Denken prägte, regte sich im 19. Jahrhundert zunehmend geistiger Widerstand: Die Transcendentalists um den Philosophen Ralph Waldo Emerson, die daran anknüpfende „Neugeist“-Bewegung des Heilpraktikers Phineas Quimby, des Lehrers Ralph Trine und des Journalisten Prentice Mulford setzten dagegen eine Idee, die vor diesem Hintergrund geradezu revolutionär anmutete: Ganz so schlimm sei das Leben doch gar nicht, man dürfe sich getrost ein wenig besser fühlen. Gott sei keineswegs ein unerbittlicher Schinder und Rächer, sondern liebe seine Kinder, weshalb er wolle, dass es ihnen gut geht.
Vom Calvinismus übernahm diese Gegenbewegung freilich die Überzeugung, dieses Wohlergehen sei aus eigener Kraft, durch eifriges Bemühen sicherzustellen: auch sie verhieß Selbsterlösung, auch sie huldigte einer vermeintlich grenzenlosen schöpferischen Kraft eines jeden Menschen, sämtliche Übel und Missstände zu überwinden und Größtmögliches hinzukriegen. Mangel ist nur eine Kopfgeburt: Arm oder krank sind wir bloß, weil und solange wir in armen oder kranken Gedanken gefangen bleiben. Einem jeden steht es frei, sich daraus zu befreien. Vom Tellerwäscher zum Milliardär – durch schiere Willenskraft. Und wie der Calvinismus, so nahm auch die Positivdenkerei zwanghafte Züge an: Wo die einen unentwegt nach Sünde gesucht hatten, ergingen sich die anderen nun in permanenter Selbstbeobachtung, ob sich nicht doch irgendwo, sei es inwendig oder bei Mitmenschen, ein schlechtes Gefühl, ein negativer Gedanke regt, die es zu eliminieren gilt.
Ebenfalls verständlich wird vor diesem Hintergrund, wie das „Positive Denken“ in den USA nicht bloß ein modischer „Way of Life“ bleiben, sondern zu einer neuen Erlösungsreligion überhöht werden konnte. Was im ausgehenden 19. Jahrhundert mit der „Church of Divine Science“ um Nona Brooks, der „Unity Church“ des Ehepaars Filmore, in den zwanziger Jahren gefolgt von der „Science of Mind“ des Schriftstellers Ernst Holmes, eher sektiererisch begann, hat sich mittlerweile zu einer uramerikanischen Heilsbewegung aufgeblasen, von der sich die Massen elektrisieren lassen. Mit Mottos wie „Gott will, dass du reich wirst“ und „Seid die Sieger, nicht die Opfer“ erreichen neue Megakirchen und Fernsehprediger Abermillionen von Zukurzgekommenen. Ihre Predigten klingen wie Motivationstrainings, frei vom gängigen Sünde- und Schmerz-Repertoire; ihre „Kirchen“ sehen aus wie übliche Bürogebäude; ihre „Gottesdienste“ verzichten weitgehend auf „negative“ Accessoires wie das Kreuz oder Bilder vom Leidensweg Jesu. Zum Beten wird nicht mehr angehalten – es genügt ja, die Einstellung zu ändern, mit dem Zweifeln aufzuhören und an sich selbst zu glauben, damit sich der Wille Gottes erfüllt, dass all seine Kinder in Villen wohnen und dicke Autos fahren. Als Wahrheitsbeweise führen die säkularen Glücksmissionare durchaus auch mal die eigenen Rolexuhren, protzige Edelkarossen, Privatjets, Traumvillen, eine 23’000-Dollar-Toilette aus Marmor oder einfach ihre Kontoauszüge vor.
Wie konnte derart seichtes Gedankengut so unfassbar rasch die Massen faszinieren? Das Erfolgsrezept besteht aus fünf Zutaten: Die Botschaft ist eingängig simpel, frei von jeglichen IQ-Zugangshürden. („Alles ist ganz einfach.“) Sie kommt der Bequemlichkeit entgegen. („Es ist kinderleicht.“) Sie appelliert an die Gier. („Du kannst alles haben, was du willst.“) Sie bietet charismatische Leitfiguren und Idole, geistige Führer, die Verunsicherten zeigen, wo es lang gehen muss. Und sie befriedigt religiöse Bedürfnisse: Positives Denken verspricht gottgewolltes Heil durch mentale Selbsterlösung.
Vor dem Gesundheitswesen machte diese Bewegung natürlich nicht Halt – im Gegenteil erschloss sie sich gerade dort einen hochlukrativen Markt. Auch hierbei leistete Seligmans „Positive Psychologie“ Pionierarbeit. Getreu der Devise „Bisher haben wir immer nur Kranke behandelt – jetzt soll es endlich auch den Gesunden bessergehen“ dehnte sie die Zielgruppe über die Klientel von Psychotherapeuten und Lebenberatern hinaus mit einem Schlag auf die Gesamtbevölkerung aus, zumal nun beinahe jeder Zeitgenosse in Verdacht gerät, er sei nicht „wirklich“ gesund, solange er nicht aufhöre, sich mit „Negativem“ zu befassen. Und wer im herkömmlichen Sinne krank ist, erlebt in Selbsthilfegruppen, in welchem neuen Geist er mit seinem Leiden umzugehen hat. Als die US-Schriftstellerin Barbara Ehrenreich im Jahre 2002 an Brustkrebs erkrankte, „ging es mir beschissen, ich war verzweifelt und suchte Unterstützung bei anderen Patientinnen und entsprechenden Organisationen. Und da tat sich diese Welt der rosaroten Ansteckschleifchen auf: Statt dass ich meine Angst mit jemandem teilen konnte, prasselte von allen Seiten das Kommando auf mich ein, das Ganze positiv zu sehen – weil einen die Krankheit ja zwingt, sein Leben zu überdenken, spirituelle Einkehr zu halten. Eine Selbsthilfegruppe druckte sogar ‚Danke, Krebs!’ auf T-Shirts. Ich bekam beinahe ein schlechtes Gewissen, weil ich meinen Krebs nicht willkommen hieß.“ (7) Auch ihr Freundeskreis stimmte darin ein: „Viele kamen mir mit solchen Sprüchen: Hey, du verlierst deine Haare! Wie aufregend“ – sie werden kräftiger, voller, weicher nachwachsen, vielleicht sogar in einem anderen, hübscheren Farbton, und leichter zu bändigen sein. „Du hast so eine schöne Kopfform, jetzt sieht man die endlich mal.“ (8) „Think Pink!“, verlangt das Neue Denken – und so gelten Operationsnarben als „sexy“, und Chemotherapie erhält Lobpreisungen dafür, dass sie Diäten unterstützt, die Haut strafft und glättet.
Längst ist der „mentale Positivismus“ über den Atlantik zu uns herübergeschwappt. Ein Schüler Murphys, der österreichische Hypnotherapeut Erhard Freitag, gelernter Kaufmann, brachte in den achtziger Jahren einem Millionenpublikum in Deutschland die „Kraftzentrale Unterbewusstsein“ nahe (9); die gelernte Grafikerin Bärbel Mohr instruierte, „Bestellungen beim Universum“ mit Liefergarantie aufzugeben. (10) Die „Großen Drei“ unter hiesigen Motivationstrainern – Jürgen Höller, Bodo Schäfer, Ulrich Strunz – zählten zu den Starautoren ihrer Verlage, traten vor Tausenden in überfüllten Sälen auf, schwelgten im Luxus. „Mr. Motivation“ Höller beriet die Deutsche Telekom, IBM und die CSU, bei einer Tagesgage von 25'000 Euro (11); seiner Firma Inline AG traute er Milliardenumsätze zu und träumte davon, sie an die Börse zu bringen. „Ihr seid Adler, ihr könnt fliegen!“, versicherte er seinem Publikum. Rund neun Milliarden Euro pro Jahr geben Deutsche mittlerweile dafür aus, sich in Motivationskursen, Persönlichkeitsseminaren und Selbstbeglückungsworkshops uneingeschränkt optimistisch stimmen zu lassen. (12)
Sind „Auswege“-Camps Trainingslager zum Positivdenken? Gelegentlich scheint es so: Mehrfach schloss unser Programm einen Abendvortrag ein, bei dem ein Gastreferent – als Unternehmer, Coach und Heiler die hochsympathische Verkörperung mühelosen Maximalgewinns – eloquent die „Universellen Gesetze von Gesundheit und Erfolg“ darlegte, als deren wichtigstes er das „Gesetz der Anziehung“ hervorhob: Positive Gedanken ziehen Gutes an, negative Schlechtes. Und gelegentlich kam bei uns das cineastische Manifest aller Positivdenker zur Aufführung: „The Secret“ („Das Geheimnis“, 2006), ein sogenannter „Dokumentarfilm“ der Denk-dich-reich-Autorin Rhonda Byrne, die Erfolgscoaches, Motivationstrainer und sogenannte „Wissenschaftler“, angeblich Quantenphysiker, sogenannte „Beweise“ dafür ausbreiten lässt, dass uns alles wie von selbst zufliegt, sofern wir es nur hartnäckig genug haben wollen; schon Beethoven und Einstein sollen in dieses „Geheimnis“ eingeweiht gewesen sein. Der Evidenzwert von Byrnes Bildbelegen liegt auf dem Niveau einer Schlüsselszene, in der eine Frau vor der Schaufensterauslage eines Juweliers steht und sehnsüchtig auf eine Halskette starrt – im nächsten Moment hängt, schwuppdiwupp, die Kette an ihrem Hals, weil sie das Objekt der Begierde mit bloßer Gedankenkraft „angezogen“ hat.
Auf solche „Enthüllungen“ reagieren die Campteilnehmer zwiespältig. Manche nicken zustimmend, ihre Diskussionsbeiträge verraten aufgeschlossene Nachdenklichkeit. Einzelne wirken regelrecht euphorisiert. Kaum jemand verdreht genervt die Augen, winkt verächtlich ab, verlässt vorzeitig den Raum.
Dabei wäre Protest mehr als angebracht. Denn „Positives Denken“ kann nicht bloß nutzlos, sondern brandgefährlich sein – im allgemeinen und ganz besonders für die meisten Patienten. (13)
Entgegen neugeistiger Gesundheitspropaganda ist der Forschungsstand weit davon entfernt, eindeutig zu sein. Was Positivpsychologen als „harte Fakten“ ausgeben, ist eine waghalsige Mixtur aus märchenhaften Fallgeschichten, wolkigen Statements dubioser Pseudo-Professoren und kreativ zurechtgebogenen Bibelzitaten. Zwar scheinen Optimisten tatsächlich in vielerlei Hinsichten gesünder und erfolgreicher – ob das eine eher Ursache oder Folge des anderen ist, lassen statistische Korrelationen freilich im Dunkeln.
Der Behauptung beispielsweise, Optimisten sei ein höheres Alter gewiss, widersprechen neuere Studien, die im Gegenteil darauf hindeuten, dass es eher Pessimisten sind, die länger leben. Ein deutsch-schweizerisches Forscherteam analysierte Daten von rund 30'000 Befragten, die im Zeitraum zwischen 1993 und 2003 alljährlich angegeben hatten, wie zufrieden sie aktuell mit ihrem Leben sind – und wie sie es in fünf Jahren zu sein glauben. Entsprachen optimistische Erwartungen später der Realität? Im Gegenteil: Wer unter den älteren Teilnehmern seine zukünftige Zufriedenheit überdurchschnittlich hoch einschätzte, erhöhte damit sein Risiko für körperliche Beschwerden und den Tod um etwa zehn Prozent. „Möglicherweise”, erklärt einer der Studienautoren, „ermuntern pessimistische Zukunftserwartungen dazu, noch besser auf die eigene Gesundheit zu achten und sich vor Gefahren zu schützen.“14 Dies bestätigt eine einzigartige Studie mit über 1500 hochbegabten Kindern, die vor 90 Jahren begann; regelmäßig wurden sie von Psychologen seither über ihre Lebensumstände, Einstellungen und Gesundheit befragt. Am langlebigsten erwiesen sich nicht etwa optimistische Frohnaturen, sondern eher vorsichtige, arbeitsame, gewissenhafte Gemüter – vermutlich auch deshalb, weil sie im allgemeinen ein geregelteres Leben bevorzugten, weniger tranken und rauchten.15
Positives Denken: ein Therapeutikum mit Risiken und Nebenwirkungen
Wenn es um unsere Gesundheit geht, ist „Positives Denken“ aber nicht nur weitaus weniger effektiv, als uns ihre Propagandisten weismachen, sondern hochriskant:
Bei vielen Patienten erzeugt Eiapopeia-Getue das Gefühl, nicht ernstgenommen und bevormundet zu werden – so bei der brustkrebsbetroffenen Barbara Ehrenreich in Selbsthilfegruppen und im Kreis von Freunden: „Wir sind immer schnell dabei, den Leuten zu sagen, wie sie sich fühlen sollen. Nur: Mit so einer Diagnose klarzukommen, braucht Zeit.“16 Spätestens wenn die chemische Keule im Geiste zärtlich liebkost werden soll, kippt zuckerwattesüße Erbaulichkeit in den Augen vieler Betroffener in blanken Hohn. Sprüche wie „Wenn dir das Leben eine Zitrone gibt, mach´ einfach Limonade draus“ kommen ihnen widerwärtig zynisch vor.
Positives Denken vernachlässigt, welche unterschiedlichen Fähigkeiten und Persönlichkeitsmerkmale, welches soziale Umfeld und sonstige Lebensverhältnisse ein Patient mitbringt; es ignoriert oder unterschätzt individuelle Schwächen und Grenzen. Es verleitet dazu, Beschränkungen wegzugrinsen, die Faktoren wie Herkunft, Bildung und finanzielle Verhältnisse, politische und wirtschaftliche Gegebenheiten dem Glücksstreben auferlegen. Unter den 27 Prozent der Deutschen, die Ende 2014 eher pessimistisch ins neue Jahr gingen17, fanden sich überdurchschnittlich viele Arbeitslose, Einkommensschwache, unterdurchschnittlich Gebildete. Für manche unter ihnen mag in ihrer Misere mehr Zuversicht durchaus angebracht und hilfreich sein – andere hingegen haben ihre persönlichen Chancen aber wohl einfach realistisch eingeschätzt.
Es nötigt zur permanenten, zwanghaften Selbstüberwachung: „Bin ich positiv genug? Was sollte ich jetzt gerade denken? Welches Negative in mir verhindert noch, dass es mir besser geht?“
Labile Patienten verunsichert es zusätzlich. Bei Menschen mit gering ausgeprägtem Selbstwertgefühl – also gerade jenen, die eine Aufhellung am allernötigsten hätten - führen selbstaufgesagte Sätze wie „Ich bin eine liebenswerte Person“ zu schlechterer Stimmung, schwächen Optimismus und vermindern die Bereitschaft, an Aktivitäten teilzunehmen, wie sich in einer amerikanische Studie zeigte.18 Wieso? Vermutlich rufen solche Sätze bei Personen, die ohnehin schon an sich zweifeln, Beispiele eigenen Verhaltens ins Gedächtnis, die dem Behaupteten besonders krass zuwiderlaufen.
Bei unkritischen Patienten kann es zu Realitätsverlust führen: Kritische Fragen werden gemieden, vorhandene Schwächen und einschränkende Umstände geleugnet, die objektiven Möglichkeiten zur Selbsthilfe übergewichtet, der Einfluss der Psyche auf die Erkrankung überschätzt. Im Widerspruch zu vielzitierten älteren Studien ergaben neuere, dass positives Denken Krebskranken zwar hilft, ihr Schicksal besser zu bewältigen, sich aber kaum bis gar nicht auf ihre Heilungschancen und Lebenserwartung auswirkt.
Positives Denken verleitet dazu, therapeutische Risiken einzugehen, Behandlungsangebote auszuschlagen.
Es kann depressiv machen und vorhandene Depressionen verstärken. („Wie unzulänglich muss ich sein, wenn ich es nicht hinkriege, gut drauf zu sein!“) Wer meint, nur „Neugeist“ helfe ihm aus dem schwarzen Loch, fühlt sich erst recht darin gefangen, wenn er an der inwendigen Geisterbeschwörung scheitert.
Es stiftet zur Selbstverleugnung und Verdrängung an, entgegen der in über einem Jahrhundert Psychotherapie abgesicherten Erkenntnis, dass das Wahrnehmen und Ausdrücken negativer Erlebnisse, Gedanken und Gefühle wie Angst, Wut und Verzweiflung durchaus hilfreich und befreiend sein kann – nicht bei allen Patienten, wie Psychoanalytiker meinen, aber bei einem Großteil. Negative Emotionen zu spüren und zuzulassen, ist nicht bloß normal, sondern unabdingbar für ein erfülltes Leben, wie die US-Psychologin Barbara Fredrickson aus eigenen Studien schließt. (19) Nur wer sich beispielsweise der Trauer stellt, in die ihn der Tod eines geliebten Menschen stürzt, und sie zulässt, wird den schmerzlichen Verlust verarbeiten können.
Schlimmstenfalls kann es schizophren machen. „Positives Denken“, so warnt einer der heftigsten Kritiker, der Verhaltenstherapeut Günter Scheich, „spaltet den Menschen in eine gute und eine schlechte Seele, so dass er Angst vor den eigenen Gedanken bekommt“, vor dem Bedenkenträger und Schwarzmaler in sich. (20)
Es weckt quälende Schuldgefühle: „Krank bin ich nur, weil ich falsch denke. Es liegt allein an mir. Ich bin einfach nicht positiv genug. Wäre ich nicht so negativ eingestellt, wäre ich gesund geblieben.“ (21) „Wie perfide!“, ereifert sich die „Neugeist“-Kritikerin Barbara Ehrenreich: „Da bin ich krank, fühle mich schlecht und soll dann auch noch alle negativen Gefühle unterdrücken, weil ich ja sonst nie mehr gesund werde? Wenn der Krebs also weiterwächst, ist es meine Schuld!“ (22)
Fatal wirkt sich der „mentale Positivismus“ nicht nur im Gesundheitsbereich aus, sondern auf die Gesellschaft insgesamt.
Die Smiley-Industrie infantilisiert uns. Vorsätze wie „Ich denk´mich reich“ liegen auf dem intellektuellen Niveau zwei- bis fünfjähriger Kinder, die in diesem Alter eine Entwicklungsphase durchlaufen, welche der französische Psychologe Jean Piaget „magisch“ genannt hat: Auch sie glauben an übernatürliche Fernwirkung – wenngleich sie es nicht „Anziehung durch Resonanz“ nennen -, auch sie sind überzeugt davon, sie könnten die Außenwelt durch Worte, Formeln und Sprüche beeinflussen. (23)
Neugeister ignorieren, dass Denken keine Fähigkeiten und Erfahrungen ersetzen kann – es ist bloß eine Nussschale auf dem Ozean der Psyche.
Nichts stiftet nachhaltiger Zuversicht als das Vertrauen auf die eigenen Kräfte – die Überzeugung der „Selbstwirksamkeit“ (engl. perceived self-efficacy), wie der kanadische Psychologe Albert Bandura sie nennt. (24) Ob ich meiner Kompetenz trauen kann, kann ich aber nicht herbeiphantasieren; es erweist sich an meiner Lebenserfahrung, sie entscheidet mit darüber, was ich mir von der Zukunft erwarte. Erlebe ich immer wieder, dass sich Anstrengung auszahlt, bin ich eher davon überzeugt, dass ich mein Schicksal selbst in der Hand habe.
Positives Denken verleitet dazu, eigenes Bemühen zu vernachlässigen. In einer Studie der Universität Los Angeles wurden Studenten aufgefordert, sich jeden Tag mehrmals ein paar Minuten lang vorzustellen, dass sie beim nächsten Examen besser abschneiden. Doch die guten Noten blieben aus – denn diese Studenten lernten weniger. Deutlich bessere Prüfungsergebnisse erzielte eine Kontrollgruppe, die sich nicht auf bevorstehende gute Noten konzentriert hatte. (25) In einem anderen Test an der Universität New York schrieben Absolventen auf, wie oft sie sich ausmalen, nach dem College ihren Traumjob zu ergattern. Je häufiger sie von einem späteren Erfolg träumten, desto weniger Angebote erhielten sie daraufhin. (26)
Die Aufforderung zu permanenter Schönfärberei kann zu zwanghaftem Verhalten und Dauerstress führen. Nicht jedem gelingt es, entspannt mit dem Druck umzugehen, jederzeit und überall positiv denken zu müssen.
Positives Denken verleitet dazu, zuviel Zeit und Energie für Ziele zu verplempern, die unerreichbar sind.
Es erschwert, Situationen zu erkennen, in denen man objektiv geringe Kontrollmöglichkeiten hat, und sich an sie anzupassen.
Positives Denken trübt Realitätssinn und Urteilskraft. Es macht leichtsinnig und kritikunfähig, lässt Gefahren ignorieren, verführt dazu, irrwitzige Risiken einzugehen, macht resistent gegen schlechte Nachrichten und verhindert, auf Rückschläge vorbereitet zu sein. „Neugeister“ verweisen gerne auf den biblischen David (1 Samuel 17). Als Goliath den Israeliten entgegentrat, dachten alle Soldaten: „Der ist so groß, den können wir niemals überwältigen.“ Positivdenker David hingegen sagte sich: „Der ist so groß, den kann ich gar nicht verfehlen.“ Tausende Andere, die sich zuvor dem Riesen entgegengestellt hatten, bezahlten ihren tollkühnen Wagemut allerdings mit dem Leben. Aus deren jämmerlichem Schicksal sollten in einer Welt, der alttestamentarische Wunder abhanden gekommen sind, ratsamerweise eher pessimistische Schlüsse gezogen werden.
In einer wachsenden Zahl von Firmen sorgt „positiver“ Geist für ein Betriebsklima gekünstelten, zwanghaften Gutdraufseins. Wer nicht Tag für Tag acht Stunden lang durchgängig signalisiert, dass ihm alles wahnsinnig viel Spaß macht, sondern womöglich Unzufriedenheit oder gar Kritik äußert, riskiert Kollegenschelte, Rüffel von Vorgesetzten, betriebsinterne Ächtung, sogar die Kündigung. Denn Bedenken „begrenzen“. Zweifler und Warner gelten als Miesmacher, deren „negative“ Energien das Erreichen der Unternehmensziele gefährden. „Neugeistige“ Betriebsführung verleitet dazu, Mitbewerber zu unterschätzen, die Unsicherheiten des Marktes und die Unwägbarkeit der Zukunft zu verkennen, Anzeichen für Krisen zu übersehen, ernsthafte, wohlbegründete Warnungen in den Wind zu schlagen.
Was unerschütterliche Zuversicht im Großmaßstab an unermesslichem Schaden anrichten kann, wenn sie in maßlose Selbstüberschätzung umschlägt und ins Megalomane abhebt, hat uns das Platzen der Finanzblase, der krachende Absturz der New Economy vor Augen geführt. Ihre treibenden Kräfte waren umfassend verblendete Optimisten, die begründete Warnungen wie vernagelt in den Wind schlugen, Risikofaktoren kopflos ignorierten, tollkühn einem Machbarkeitswahn erlagen – wie Joseph Gregory, der damalige Präsident der Investmentbank Lehman Brothers, deren Insolvenz den „Big Bang“ auslöste: Seine Mitarbeiter hatten ihm den Ehrentitel „Mr. Instinct“ verliehen, weil er sich gerne damit brüstete, Entscheidungen lieber nach seinem „Bauchgefühl“ zu treffen als nach rationaler, Chancen und Risiken umfassend abwägender Analyse. (27) An der Leine waghalsiger Oberbosse, die nicht annähernd ahnten, was sie alles nicht wissen, haben sich vor der Finanzkrise ganze Teams von hochqualifizierten Entscheidern frohgemut in Kollektivillusionen hineinphantasiert.
Daniel Kahneman nennt Optimismus den “Motor des Kapitalismus”: Solange er wartungsfrei auf Hochtouren läuft, ergötzen wir uns an seinem lieblichen Schnurren; kommt die Krise, vermissen wir ein Lenkrad und zuverlässige Bremsen. (28)
In der Politik sind es megagroße Bauprojekte, in denen sich positivistischer Leichtsinn mit Vorliebe austobt. Ob der neue Hauptstadtflughafen Berlin-Schönefeld, die Hamburger Elbphilharmonie oder der unterirdische Bahnhof „Stuttgart 21“: Überall ließ blauäugiger Optimismus die Kosten explodieren. Wie verheerend er sich auf Regierungsentscheidungen auswirken kann, führte der Irak-Krieg vor Augen: Präsident George W. Bush war bekannt dafür, keine Zweifler und Bedenkenträger in seiner Umgebung zu ertragen – so immunisierte er seine surreale Zuversicht, der Feldzug sei binnen Tagen zu gewinnen. Wie Bushs damalige Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice später einräumte, hatte sie sich nicht getraut, kritische Bemerkungen zum Irak-Abenteuer vorzutragen, weil ihr oberster Dienstherr Pessimisten zutiefst verabscheut habe.
Auch hierzulande ist es mitunter das eigene Leben, das Positivdenker bestraft. Was ist aus ihren Lautsprechern inzwischen geworden? Jürgen Höller pokerte zu hoch: 2002 wurde er wegen Untreue, vorsätzlichen Bankrotts und Meineids zu drei Jahren Haft verurteilt, nachdem er versucht hatte, vor der drohenden Insolvenz seiner Firma Geld beiseite zu schaffen. (29) Seit einer Herzmuskelentzündung kann Bodo Schäfer höchstens noch eine Stunde pro Tag auftreten. Ulrich Strunz wäre während eines Trainingslagers auf Mallorca beinahe gestorben, er kann nicht mehr. (30) Bärbel Mohr erlag, erst 46 Jahre alt, 2010 einer Krebserkrankung, nachdem sie ein Jahr zuvor ins Burn-out-Loch geraten war – hatte sie das etwa „beim Universum bestellt“?
Positivdenker machen den Erfolglosen zum Sündenbock. Du bist arbeitslos, findest keinen Job? Offenbar denkst du nicht positiv genug. Du bist arm? Offenbar hast du das durch deine Negativität angezogen. Wer etwas nicht hinkriegt, wem es schlecht geht, der ist selber schuld.
Insofern trägt Positives Denken letztlich dazu bei, den gesellschaftlichen Status quo zu zementieren, weil es den Lebensumständen eine vernachlässigbare Rolle beimisst; es hält davon ab, sich dagegen zu wehren. Sind Demonstrationen und Streiks, Protestbewegungen und Gewerkschaften nicht Ausgeburten und Brutstätten von törichtem Negativismus? Wozu für bessere Schulen und Jobs eintreten, für Rechte von Arbeitnehmern und Minderheiten kämpfen, wenn bloßes Positivdenken doch so viel mehr zum Glück beitragen kann? „Du bist mit deinen Arbeitsbedingungen unzufrieden? Mit positiver Geisteshaltung wirst du schon bald bessere finden.“ „Du bist arm? Das kommt von den negativen Schwingungen deines Armutsbewusstseins, das du ausgesandt hast.“ Die Botschaft lautet: „Klage nicht, ändere deine Einstellung, und alles wird gut werden.“ So droht ein Massenwahn, der vorschreibt, frohgemut alles Unglück zu ertragen – eine Gefahr, auf die der tschechische Schriftsteller Milan Kundera hinweist, wenn er eine Romanfigur sagen lässt: „Optimismus ist das Opium der Menschheit.“ (31) Insofern wirkt das positive Denken in der westlichen Welt ähnlich wie der Hinduismus in Indien: Es eignet sich vorzüglich als Werkzeug sozialer Kontrolle, um Ungleichheiten zu legitimieren. „Das Ganze wirkt wie ein gigantischer Manipulationsversuch“, spitzt Kritikerin Barbara Ehrenreich zu.
Das Menschenbild der Smiley-Optimisten ist im Grunde unmenschlich. Es zeichnet uns als leicht umprogrammierbare Roboter, denen lediglich eine bessere Software implantiert werden muss, um perfekt zu funktionieren. Positivdenken „heißt doch: Ich kann den anderen Menschen genau so manipulieren, dass er das macht, was ich gerne möchte“, warnt Kritiker Günter Scheich. (32) „Genauso kann ich mein Unbewusstes so programmieren, dass es immer genau das macht, was ich mir vorher zurechtgelegt habe, auch wenn die Ziele noch so unreif sind: Ich bin der Größte, Schönste, Beste, Reichste und so weiter.“
Welch „schöne neue Welt“ uns die Wohlfühlindustrie bescheren könnte, malt Dave Eggers´ Roman The Circle gänsehautförderlich aus: Er beschreibt eine Gesellschaft, die sich völlig dem Diktat des positiven Denkens unterworfen hat. (33) Mit den Schreckensutopien eines Aldous Huxley oder George Orwell hält rosaroter Gesinnungsterror ohne weiteres Schritt.
Vor grenzenlosem Optimismus zu warnen, bedeutet mitnichten, für ausufernden Pessimismus zu plädieren. Grenzen und Gefahren des Positiven Denkens nicht außer acht zu lassen, auf dem Boden zu bleiben, Fakten zu berücksichtigen, Umstände zu analysieren, sich des eigenen Verstandes zu bedienen, mit all seinen Potentialen statt bloß mit dem zum zuversichtlichen Erreichenwollen: Darum geht es. Was wir bei entmutigten, ratlosen, deprimierten Campteilnehmern wecken und fördern möchten, ist ein sogenannter „gesunder Optimismus“: einer, der auf vorhandenen Fähigkeiten und Kenntnissen, auf der richtigen Einschätzung von Situationen aufbaut.
Im übrigen kommt auch der nüchterne Realist, der gnadenlose Stimmungstöter aller Überschwänglichen, nicht selten recht gut und durchaus glücksfähig durchs Leben; er profitiert davon, sorgfältiger abzuwägen, Kehrseiten zu bedenken, Risiken mit klarem Blick wahrzunehmen. In eigener Sache erweist er sich deshalb zumeist als der bessere Futurologe. Wann immer Teams folgenschwere Entscheidungen treffen, sollten sie ihn einbeziehen. Denn er macht Pinkdenkern klar: Auch wenn das halbleere Glas „eigentlich“ halbvoll ist, ändert das nichts am Füllstand.
Denkbare Probleme nicht neugeistig wegzuschieben, sondern sich ihnen zu stellen, hilft insbesondere Furchtsamen. Die US-Psychologin Julie Norem rät ihnen dringend zu einem „defensiven Pessimismus“ (34): Stellen sich Menschen mit ausgeprägten Ängsten vor, was alles schiefgehen könnte, so sind sie auf heikle Situationen besser vorbereitet, gewinnen ein Gefühl von Kontrolle, werden ruhiger und sicherer, bringen daraufhin bessere Leistungen. Vor Prüfungen, Präsentationen und anderen Herausforderungen, die vorweg für Beklemmungen, Herzrasen und Angstschweiß sorgen, versäumt man es besser nicht, in Gedanken Worst-Case-Szenarien durchzuspielen und sich Gänsehautfaktoren zu vergegenwärtigen: mögliche Wissenslücken, Fehler, Versprecher, Gedächtnis-Blackouts, Fangfragen und ironische Kommentare. Sich Strategien auszumalen, wie man trotz Patzer und Pannen zurechtkommt, erhöht Wohlbefinden und objektive Chancen. Der Nutzen erhöht sich, wenn man sich mit Negativem vorab schriftlich auseinandersetzt. Solches „expressive Schreiben“, um negative Emotionen zu bewältigen, empfiehlt der US-Psychologe James Pennebaker von der Universität Austin/Texas, gestützt auf mehrere Studien. (35)
Selbst eine negative Erwartungshaltung ist keineswegs nur destruktiv, sondern ein wertvolles Korrektiv: Der Optimist erfand das Flugzeug, der Pessimist den Fallschirm. Eingefleischte Bedenkenträger müssen im übrigen durchaus nicht, lebenslänglich zaudernd und zagend, in Trübsal und Angststarre verharren. Den melancholischen Schwarzseher verkörpert geradezu idealtypisch einer der fleißigsten und erfolgreichsten Filmemacher unserer Zeit, Woody Allen. „Was immer wir tun zu Lebzeiten“, lautet sein Credo, „ist am Ende sinnlose Illusion, weil nichts von Bestand sein wird. Gar nichts. Ich wünschte, ich läge falsch, aber der gesunde Menschenverstand spricht dagegen.“ Nur seiner Familie zuliebe mimt er daheim manchmal den Optimisten: "Wenn meine Frau mal seufzt, dass das Leben kurz und traurig ist, dann bin ich es, der sagt, dass sie nicht albern sein soll. Dass es viel Wundervolles zu erleben gibt. Aber tief in meinem Herzen spiele ich ihr etwas vor." Sein Lebenselixier bleibt auch nach rund fünfzig Filmproduktionen das Kino: "Wir Menschen besitzen glücklicherweise einen Überlebenstrieb. Käme gleich jemand mit einer Pistole durch die Tür, würde ich um mein Leben kämpfen, das liegt in unserem Blut. Für mich ist das Filmemachen Teil dieses Überlebenskampfes, es ist eine wundervolle Ablenkung, um nicht schrecklichen Gedanken nachhängen zu müssen." (36)
Aber was denn sonst, wenn nicht Gehirnwäsche zum Zweck geistiger Selbstvergewaltigung, findet in „Auswege“-Camps statt?
Die Alternative zur rosa Brille ist keine schwarze, sondern eine farblos transparente. Wir verleiten Kranke keineswegs dazu, ihre Lebensumstände, ihre Geschichte, ihre Aussichten schönzufärben – wir bemühen uns lediglich, sie von Denkblockaden zu befreien, die sie daran hindern, sich selber realistisch zu betrachten, bestehende Möglichkeiten wahrzunehmen, Chancen zu erkennen – kurzum, wir versuchen sie von Pessimismus zu erlösen, der bei Schwerkranken mitunter extreme, geradezu masochistische Ausmaße annimmt. Wir tun es, weil eine solche Geisteshaltung das Befinden massiv beeinträchtigt, Lebensqualität zerstört und einer Heilung im Wege steht. Der Optimismus, den wir Campteilnehmern nahelegen, ist kein weiteres chronisches Denkmuster, bei dem jede Abweichung unter Neuroseverdacht steht – sondern eine Wahlmöglichkeit in Situationen, in denen nach nüchterner Abwägung aller Pros und Contras, aller Licht- und Schattenseiten nicht weniger Grund zur Zuversicht als zur Schwarzmalerei besteht.
Psychologen, die in dieser Richtung arbeiten, wären in unseren Campteams hochwillkommen. Einen praxisbewährten Ansatz, der unsere Bemühungen optimal ergänzen würde, hat die deutsche Psychologin und Motivationsforscherin Gabriele Oettingen entwickelt, Professorin an den Universitäten Hamburg und New York. Ihr WOOP („Wish Outcome Obstacle Plan“) ist eine Vier-Stufen-Strategie, sich über erreichbare Wünsche klar zu werden und sie zu erfüllen. (37) Dabei werden Chancen ebenso bedacht wie Widerstände und Hindernisse.
WOOP beginnt mit der Frage: Was ist mein Wunsch, was will ich wirklich? Wie wichtig ist er mir? (Das „W“.) Im zweiten Schritt malt man sich möglichst lebhaft die erwünschte Zukunft aus: Was wäre das schönste Ergebnis (outcome), wenn sich der Wunsch erfüllt? (Das erste „O“.) Darauf folgt das zweite „O“ (für obstacle): Welche Hindernisse stehen im Weg, sei es umständehalber, sei es in mir? Was hält mich davon ab, den Wunsch zu erfüllen? Ist es Angst, mangelnde Vorbereitung, eine Gewohnheit, Unkonzentriertheit, Trägheit? Abhängig von der Antwort verabschiede ich mich von dem Wunsch, delegiere ihn, verschiebe ihn auf später – oder schmiede einen Plan, wie ich die Hindernisse beiseite räume. (Das „P“.) Dabei zerlege ich einen längeren Weg zum angestrebten Ziel sinnvollerweise in mehrere kleine Zwischenschritte, die der Reihe nach zu bewältigen sind. Jeden Fortschritt sollte ich gebührend verbuchen, um mir bewusst zu machen, wie ich vorankomme – so wächst Selbstvertrauen. Komme ich im Laufe dieses WOOP-Prozesses zu dem Schluss, ein Wunsch sei mir gar nicht so wichtig oder unerreichbar, muss ich mir keineswegs eine persönliche Niederlage oder einen Mangel an der rechten Geisteshaltung eingestehen – ich werde frei, meine Energien in andere, vielversprechendere Vorhaben zu investieren.
Was Campteilnehmer am Ende ihres Aufenthalts an persönlichen Resümees zu Papier bringen (38), deutet darauf hin, dass wir unser Motivationsziel nahezu ausnahmslos erreichen, selbst bei Patienten, die neun Tage zuvor zutiefst niedergeschlagen, verängstigt, hoffnungslos bei uns angekommen sind – wie die Mutter einer 15jährigen Epileptikerin, die „dankbar und froh“ ist, „dass ich dabei war; es kommt mir vor wie der erste Schritt in einen neuen Lebensabschnitt“; wie die depressive Mutter einer 30jährigen MS-Kranken, die „viele Anregungen, Lösungsansätze und –möglichkeiten mitnehmen konnte“; wie der von Tinnitus, schmerzenden Handgelenken und Schlafstörungen geplagte Gabriel*, 56, der sich „inspiriert und durch das Camp positiv aufgestellt“ fühlte; wie die Mutter des entwicklungsgestörten, inkontinenten Simon*, 7, die sich „auf den Weg gebracht fühlt“; wie Johannes*, 53, den eine schwere chronische Nierenentzündung belastete: „Hier bin ich ein anderer Mensch geworden. Alles, was früher dunkel, bedrohlich und perspektivlos war, kann ich jetzt positiv sehen - das Camp gibt mir so viel Kraft“. Für den rheumakranken Martin*, 67, „war es, als hättet ihr mir einen dunkelgrauen Schleier von den Augen gerissen“. Ludwig*, 59, hatte zu uns gefunden mit schweren Depressionen und Angstzuständen, medikamentös nicht einzudämmenden Herzrhythmusstörungen und einem mysteriösen heftigen Druckschmerz auf der Brust – seit er aus nächster Nähe miterleben musste, wie beide Eltern erschossen wurden; nach neun Camptagen kam es ihm „so vor, als wäre ich in einem stockdunklen Gefängnis eingemauert gewesen – nun hat sich endlich ein Fenster geöffnet, und Licht fällt herein“. Auch Marta*, 62, eine durch sexuellen Missbrauch in früher Kindheit schwer traumatisierte Lehrerin, fühlte sich nach wenigen Camptagen „wie befreit, wie neugeboren“: „Ich habe schon so viele Psychotherapien hinter mir, die nix gebracht haben. Was ihr hier mit mir gemacht habt, ist unglaublich. So intensiv! Mich hat dieses Camp auf den Weg gebracht“ – nicht unter dem perfiden Druck eines rosa Gesinnungsterrors, sondern weil sie helfende Hände fand, die sie aus der Dunkelheit herausführten.
Anmerkungen
* Pseudonyme
1 Ajit Varki/Danny Brower: Denial: Self-Deception, False Beliefs, and the Origins of the Human Mind, 2013
2 Tali Sharot: Das optimistische Gehirn. Warum wir nicht anders können, als positiv zu denken. Berlin/Heidelberg 2014; or.: The Optimistic Bias (2012).
3 Die noch laufende Minnesota-Studie berücksichtigte zwischen 1979 und 1988 sechzig eineiige und 34 zweieiige Zwillinge, dazu drei Drillinge; jedes Jahr bezieht sie im Schnitt zehn weitere Zwillingspaare ein: Thomas J. Bouchard/ D.T. Lykken u.a.: “Sources of human psychological differences: the Minnesota Study of Twins Reared Apart”, Science 250/ 1990, S. 223-228; Thomas J. Bouchard/J. Thomas: “Twins reared apart and together - What they tell us about human individuality”, in Sidney W. Fox (Hrsg.): Individuality and Determinism. New York NY 1984, Seite 147-184. Eine weitere umfangreiche Untersuchung erfasste 850 Zwillingspaare: John C. Loehlin/Robert C. Nichols: Heredity, Environment and Personality, Austin/Texas 1976.
4 zit. in Der Spiegel 1/2012, S. 117.
5 Allein von Carnegies Sorge Dich nicht – lebe (1948) wurden über 50 Millionen Exemplare verkauft, davon 2,8 Millionen in Deutschland, wo es sich über tausend Wochen in Bestsellerlisten hielt. Murphys Die Macht Ihres Unterbewusstseins (1962), einer der erfolgreichsten Longseller der Buchgeschichte, erlebte nicht weniger als 65 Auflagen.
6 Der Jahresumsatz 2005 auf dem amerikanischen Coaching-Markt wurde auf 21 Milliarden Dollar geschätzt; nach Der Tagesspiegel, 22.8. 2010.
7 In einem Interview mit der Zeitschrift Stern, 6.12.2010.
8 In einem Interview mit der Zeitung Der Tagesspiegel, 22.8.2010.
9 Erhard F. Freitag: Die Macht der Gedanken - Kraftzentrale Unterbewusstsein, München 1987. Seine elf Bücher wurden über zehn Millionen mal verkauft.
10 Bestellungen beim Universum. Ein Handbuch zur Wunscherfüllung, Aachen 1998; Der kosmische Bestellservice. Eine Anleitung zur Reaktivierung von Wundern, Aachen 1999.
11 www.taz.de/!33306
12 Nach Anna Gielas, „Gute Laune auf Befehl“, Zeit Wissen 1/2011.
13 Günter Scheich: Positives Denken macht krank. Vom Schwindel mit gefährlichen Erfolgsversprechen, Frankfurt am Main 2001; Barbara Ehrenreich: Smile or Die - Wie die Ideologie des positiven Denkens die Welt verdummt, München 2010
14 Frieder R. Lang/David Weiss u.a.: „Forecasting life satisfaction across adulthood: Benefits of seeing a dark future?“, Psychology and Aging 28 (1) 2013, S. 249-261.
15 Leslie R. Martin/ Howard S. Friedman u.a.: „A Life Course Perspective on Childhood Cheerfulness and Its Relation to Mortality Risk“, Personality and Social Psychology Bulletin 28 (9) 2002, S. 1155-1165.
16 Barbara Ehrenreich im Tagesspiegel-Interview, a.a.O.
17 Dagegen äußerten sich 45 Prozent optimistisch. Nach einer Repräsentativumfrage des Hamburger Zukunftsforschers Horst Opaschowski im Dezember 2014, zit. in Frankfurter Allgemeine, 26.12.2014. Wer die Umfrageergebnisse näher betrachtet, stellt fest: Zuversichtlich ins neue Jahr gingen in erster Linie jene, die Arbeit haben und in relativem Wohlstand leben.
18 Joanne Wood u.a.: „Positive Self-Statements - Power for Some, Peril for Others”, Psychological Science 20 (7) 2009, S. 860-866.
19 Barbara Fredrickson: Die Macht der guten Gefühle. Wie eine positive Haltung Ihr Leben dauerhaft verändert, Frankfurt/New York 2011
20 In einem ARD-Interview im Rahmen einer „Themenwoche“ im November 2013.
21 Solch brutale „Selber-schuld“-Zuweisung prangerte die US-Publizistin Susan Sontag, prominente Menschenrechtlerin und Sozialkritikerin, schon Ende der siebziger Jahre in ihrem Essay Krankheit als Metapher an. (Im Jahre 2004 erlag sie 71jährig einer Krebserkrankung.) Das Original Illness as Metaphor (1978) erschien 1981 in deutscher Übersetzung.
22 Im Stern-Interview, a.a.O.
23 s. Thomas Grüter: Magisches Denken. Wie es entsteht und wie es uns beeinflusst. Frankfurt am Main 2010.
24 Albert Bandura, A.: Self-efficacy: The exercise of control. New York 1997.
25 Lien B. Pham/Shelley E. Taylor: „From Thought to Action: Effects of Process-Versus Outcome-Based Mental Simulations on Performance“, Personality and Social Psychology Bulletin 25/1999, S. 250-260.
26 G. Oettingen/D. Mayer: „The motivating function of thinking about the future: expectations versus fantasies“, Journal of Personality and Social Psychology 83 (5) 2002, S. 1198-1212.
27 Barbara Czarniawska: „New plots are badly needed in finance: Accounting for the financial crisis of 2007-2010“, GRI-Rapport 2/ 2011, S. 20.
28 Der Publizist Manfred Dworschak in Der Spiegel 1/2012, S. 118.
29 www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/0,1518,246819,00.html, 9. Januar 2007.
30 http://www.taz.de/!33306/
31 Milan Kundera: Der Scherz, München 2004.
32 Im Interview mit dem bvvp-Magazin des Bundesverbands der Vertragspsychotherapeuten, Nr. 1/2006, S. 32 f.
33 Dave Eggers: Der Circle, Köln 2014; das englische Original erschien ein Jahr zuvor.
34 Julie K. Norem: The Positive Power of Negative Thinking: Using Defensive Pessimism to Harness Anxiety and Perform at Your Peak (2002)
35 James Pennebaker: Writing to Heal: A guided journal for recovering from trauma & emotional upheaval (2004)
36 Woody Allen im Interview mit der Süddeutschen Zeitung, 4.12.2014 ("Die Sonne wird erlöschen")
37 Gabriele Oettingen: Rethinking Positive Thinking: Inside the New Science of Motivation, New York 2014.
38 Die abschließenden Stellungnahmen von Campteilnehmern geben wir auf unserer Homepage www.stiftung-auswege.de unter der Rubrik „Veranstaltungen“/“Frühere Camps“ wieder.
Dieser Betrag enthält Auszüge aus dem Buch von Harald Wiesendanger: Auswege – Kranken anders helfen (2015)
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