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Dr. Harald Wiesendanger

WHO: Schluss mit Lockdowns !

Aktualisiert: 1. Mai 2021

Kein Covidiot, sondern ein Top-Repräsentant der Weltgesundheitsorganisation warnt nun plötzlich: Lockdowns haben weltweit „zu einer ganz schrecklichen Katastrophe geführt“. Er appelliert, auf „bessere Systeme“ zur Seuchenkontrolle zu setzen. Späte Reue?


Ist es zu fassen? Ein führender Vertreter der Weltgesundheitsorganisation stellt soeben fest, dass Lockdowns „weltweit zu einer schrecklichen Katastrophe geführt haben“. Im Namen der WHO appelliert er an „alle führenden Politiker der Welt“, auf „bessere Systeme“ zur Seuchenkontrolle zu vertrauen. Eindringlich warnt er davor, Lockdowns „als primäres Kontrollinstrument“ einzusetzen.


So äußerte sich kein Geringerer als David Nabarro, vom WHO-Generalsekretär zu einem von sechs Sonderbeauftragten für die Reaktion auf die Corona-Pandemie ernannt, am 8. Oktober in einem Video-Interview mit dem britischen Wochenmagazin The Spectator. (1)


Wörtlich sagte Nabarro:


„Wir in der Weltgesundheitsorganisation befürworten keinen Lockdown als primäres Mittel zur Kontrolle dieses Virus.“


"Wir glauben, dass ein Lockdown nur gerechtfertigt ist, um Ihnen“ (d.h. Regierungen in aller Welt) „Zeit zu verschaffen, damit Sie sich neu organisieren, neu gruppieren, Ihre Ressourcen neu ausbalancieren und Ihre Mitarbeiter im Gesundheitswesen, die erschöpft sind, schützen können. Aber im Großen und Ganzen würden wir das lieber nicht tun.“


„Schauen Sie sich nur an, was zum Beispiel in der Karibik oder im Pazifik mit der Tourismusindustrie passiert ist, weil die Leute ihren Urlaub nicht mehr dort verbringen.“


„Schauen Sie sich an, was mit Kleinbauern auf der ganzen Welt passiert ist, weil ihre Märkte zusammengebrochen sind.“


„Schauen Sie sich an, was mit dem Armutsniveau passiert - es scheint, dass wir bis zum nächsten Jahr eine Verdopplung der weltweiten Armut haben könnten.“


„Es ist gut möglich, dass sich die Unterernährung von Kindern mindestens verdoppelt, weil die Kinder in der Schule keine Mahlzeiten bekommen und ihre Eltern in armen Familien nicht in der Lage sind, sich das zu leisten.“


„ Dies ist eigentlich eine ganz, ganz schreckliche globale Katastrophe.“


„Und deshalb appellieren wir wirklich an alle führenden Politiker der Welt: Hören Sie auf, den Lockdown als Ihr primäres Kontrollinstrument einzusetzen. Entwickeln Sie bessere Systeme, um dies zu erreichen. Arbeiten Sie zusammen und lernen Sie voneinander. Denken Sie daran, dass der Lockdown nur eine Konsequenz hat, die Sie niemals kleinreden dürfen: Er macht arme Menschen um ein Vielfaches ärmer.“


Ehe wir vor Rührung in einem Meer von Tränen versinken, die uns ein solch wunderbarer Akt der Empathie und Fürsorge in die Augen treibt, sollten wir uns letztere verwundert reiben. Wieso schlägt Nabarro solche Töne erst jetzt an? Wieso bedauert er bei dieser Gelegenheit nicht gleich auch die Leichenberge, die Gesundheitssysteme im WHO-Panikmodus auftürmten, indem Abermillionen OPs, Behandlungen und Untersuchungen abgesagt oder verschoben wurden? Warum teilt nicht der WHO-Generalsekretär höchstselbst Navarros Bedauern? Weshalb appelliert die WHO nicht offiziell?


Und wäre es nicht angebracht, zerknirscht Reue zu zeigen, sich bei der Weltgemeinschaft zu entschuldigen und Posten zu räumen?


Hat der WHO-Generalsekretär nicht von Anfang an Chinas härtestmögliche Reaktion auf den SARS-CoV-2-Ausbruch bei jeder Gelegenheit als vorbildlich gelobt? Pries er „Konsequenz und Effizienz“ des Wuhan/Hubei-Lockdowns nicht als leuchtendes Vorbild für den Rest der Corona-Welt? (2)


Haben Internationaler Währungsfonds und Weltbank, zwei Sondereinrichtungen der Vereinten Nationen, Kreditvergaben im Gesamtvolumen von knapp 90 Milliarden US-Dollar an 80 Staaten nicht an die Bedingung geknüpft, dass die Schuldner totalitären Infektionsschutz à la Peking nachahmen? (3)


Hat die WHO Schwedens lockdownfreien Sonderweg nicht wiederholt als „unverantwortlich“ angeprangert?


Ignoriert die WHO nicht seit Krisenbeginn wissenschaftliche Studien, die Lockdowns für nutzlos erklärt haben? (4)


Wo bleibt das Medienecho auf die verblüffende Kehrtwende der WHO?


Wo bleiben Stellungnahmen der politisch Verantwortlichen?


Warum steuern Regierungen nicht spätestens jetzt um?


David Nabarro, ein britischer Mediziner, ist seit 1999 für die Vereinten Nationen in hohen Ämtern tätig. Unter anderem war er Leitender UN-Koordinator von Maßnahmen gegen die Vogelgrippe (2005-2014), für Globale Ernährungssicherheit (2008-2014), für nachhaltige Entwicklung und Klimawandel (2016/17). Bei der Neuwahl des WHO-Generalsekretärs zog er am 23. Mai 2017 gegen den Favoriten Chinas, den Äthiopier Tedros Adhanom Ghebreyesus, erst im dritten Wahlgang den kürzeren.


Ist nicht seit über einem halben Jahr offenkundig, was diesem WHO-Repräsentanten seltsamerweise erst jetzt auffällt? In wohlhabenden Industrienationen verhindern soziale Sicherungssysteme zumindest das Allerschlimmste. Weitaus heftiger trifft die grassierende Coronoia hingegen Entwicklungs- und Schwellenländer. In der Regel gibt es dort kein Arbeitslosen- und Kurzarbeitergeld, keinen Kündigungsschutz, keine Kranken- und Rentenversicherung, keine Subventionen für kleine und mittlere Betriebe, welche die ärgste Not lindern. Von weltweit 3,3 Milliarden Arbeitskräften bewegen sich zwei Milliarden in einer „informellen Ökonomie“ ohne gesetzliche Regelungen; von festen Arbeitsverhältnissen können sie nur träumen. Sie sind Tagelöhner, die ohne Ersparnisse, ohne sozialstaatliche Absicherung von der Hand in den Mund leben; bestenfalls bleibt ihnen die Hoffnung, dass ihre Kinder sie mitversorgen. Mit Almosen ihrer Regierung können sie nicht rechnen. Ohne Einkommen, ohne Rücklagen fehlt ihnen Geld für Essen, für Miete, für öffentliche Verkehrsmittel, für Medikamente. Mittellos hausen sie in Elendsvierteln, mit einem halben Dutzend Verwandter auf ein paar Quadratmetern zusammengepfercht, wo sie einander während wochenlanger Ausgangssperren erst recht infizieren.


Die Folgen des Lockdown-Masochismus, dem die Erste Welt frönt, treffen die Zweite und Dritte deshalb mit voller Wucht. Große Teile der Bevölkerung vegetieren dort nun erst recht in bitterster Armut, können ihrem Elend nicht entkommen, sind verzweifelt, hungern und verhungern.


Beispiel Peru: Obwohl kein Land einen früheren, längeren und härteren Lockdown verhängte – mit Ausgangssperren ab der ersten Märzhälfte bis Ende Juni -, beklagt der Andenstaat die weltweit höchste Zahl von Corona-Infizierten und -Toten. (5)


Bereits am 22. April zitierte die New York Times unter der Schlagzeile „Instead of Coronavirus, the Hunger Will Kill Us“ Expertenschätzungen, denen zufolge die Anzahl der Hungernden bis zum Jahresende weltweit um 130 Millionen ansteigen wird. Gar von 225 Millionen geht eine neuere Studie der Universität Oxford aus. Laut UNO droht coronabedingt weltweit 1,6 Milliarden Menschen akut ein Verlust ihrer Lebensgrund­lagen. Länder wie Indien und Pakistan verzeichnen sprunghaft angestiegene Selbstmord­raten – nachdem Infektionsschutz massenhaft Lebensgrundlagen zerstörte, sehen viele Leidtragende keinen anderen Ausweg mehr, als sich umzubringen. (6)


Werden sich die politisch Verantwortlichen dafür jemals vor irdischen Richtern verantworten müssen? Oder bleibt bloß die Hoffnung aufs Jüngste Gericht?


Harald Wiesendanger




Foto Hausfassade: Free-Photos/Pixabay; Porträt Nabarro: Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres - DIALOG Entwicklung, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=48456204

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