Verblüffend: Immerhin zwei Drittel aller erwachsenen Deutschen würden sich, Umfragen zufolge, notfalls „einem medizinischen Laien mit besonderen Heilkräften anvertrauen, wenn Ärzte nicht mehr weiterwissen“. Doch den Gang zum Heiler erschwert eine Fülle von Bedenken, Zweifeln und Ängsten. Mit ihnen fühlen sich Hilfesuchende meist alleingelassen – hin- und hergerissen zwischen reißerischen „Wunder“meldungen und hämischen Kritiken, in denen sich die öffentliche Auseinandersetzung mit dem Phänomen des Geistigen Heilens in aller Regel erschöpft. Auf über 50 Fragen, die Patienten und ihre Angehörigen stellen, gehe ich in meinem Buch Geistheiler – Der Ratgeber ein.
Angenommen, ausgerechnet an Heiligabend steht vor Ihrer Tür ein weißbärtiger, gütig dreinblickender älterer Herr in wallendem rotem Umhang. Er hat einen Sack geschultert, aus dem er für Sie ein Präsent ganz besonderer Art hervorkramt: ein strahlendes Etwas, das mit seinem warmen Licht schlagartig den Raum erfüllt. Sie wollen danach fassen - doch Ihre Hand greift hindurch, ins Leere.
Was ist das? "Niemand weiß es genau, selbst ich nicht", erklärt der sonderbare Gast. "Doch darauf kommt es nicht an. Ich weiß nur, wofür es bestimmt ist: für Leidende wie Sie.
- Es auf sich wirken zu lassen, ist immer angenehm.
- Es treten keinerlei schädliche Nebenwirkungen auf.
- Es verträgt sich mit jedem Medikament, das Sie einnehmen, und erhöht die Wirksamkeit von allem und jeglichem, was Sie für Ihre Gesundheit tun oder tun lassen.
- Es hilft bei nahezu jedem Leiden.
- In zwei von drei Fällen lindert es Beschwerden erheblich.
- In jedem zehnten Fall macht es sogar vollständig gesund.
- In 95 Prozent aller Fälle macht es glücklicher, ausgeglichener und zufriedener, gibt neue Kraft, Lebensmut und Zuversicht.
- Die Wirkung hält häufig an."
All diese Vorzüge, so erklärt der Besucher weiter, bekämen sogar Erdenmenschen zu spüren, die nie zuvor von diesem Etwas gehört haben. Die völlig ahnungslos sind, wie und warum es wirkt. Die keinerlei Vorstellung davon haben, wie sie damit umgehen sollen.
Würden Sie, falls Sie schwerkrank sind, dieses Etwas ungeprüft ablehnen - und den Fremden kurzerhand wieder damit fortschicken? Empfänden Sie es nicht als Geschenk des Himmels?
Mein Buch Geistheiler – Der Ratgeber ist dazu da, Sie auf ein solches Geschenk vorzubereiten. Mehr noch: Es soll Ihnen Informationen an die Hand geben, mit denen Sie die segensreichen Wirkungen dieses Etwas noch erhöhen können. Denn die Chance, von ihm zu profitieren, wächst deutlich, wenn man es richtig vorbereitet annimmt - und richtig zu handhaben versteht.
Als Gebrauchsanweisung genügt in diesem Fall leider kein kurzer Beipackzettel. Zuviele Vorurteile und Ängste müssen ausgeräumt, zuviele unrealistische Erwartungen zurechtgerückt werden. Und gewiss sind auch Warnungen vor falschen Weihnachtsmännern angebracht. Was gegen Geistiges Heilen zu sprechen scheint, ist ein wirres Knäuel von vielerlei Spekulationen, Übertreibungen und Halbwahrheiten: ein gordischer Knoten, der sich nicht mit einem Schlag durchhauen, sondern nur mühsam Faden für Faden auflösen lässt. Darum bemühe ich mich in meinem Buch - Kapitel für Kapitel.
Das Wunder ist möglich
Wer ernstlich erkrankt, hofft auf ärztliche Kunst. Wem Ärzte nicht mehr helfen können, dem bleibt oft nur noch, auf ein Wunder zu hoffen.
In dieser Lage befinden sich, nach Expertenschätzungen, allein in Deutschland über zwanzig Millionen Menschen - ob sie nun an ständiger Migräne oder quälender Neurodermitis leiden, an Allergien oder chronischem Asthma, an fortwährenden Ängsten oder Depressionen, an Rheumatismen oder metastasierendem Krebs, der sich nicht mehr herausschneiden, wegbestrahlen oder mit der Pharmakeule niederknüppeln läßt. Bei ihnen allen stößt die Schulmedizin nach wie vor an Grenzen, trotz eines immer gigantischeren technischen und finanziellen Aufwands. "Damit müssen Sie sich abfinden", so bekommen Betroffene dann zu hören; bei einer lebensbedrohlichen Erkrankung wird ihnen, statistisch sauber und menschlich unterkühlt, sogar vorgerechnet, "wieviel Zeit Ihnen noch bleibt".
Solche entmutigenden Äußerungen, zumal aus dem Mund von Ärzten, sind verantwortungslos. Sie deprimieren, rauben jegliche Hoffnung, zerstören Lebensqualität. Bei Betroffenen richten sie oft schlimmeren seelischen Schaden an, als es ihrer Erkrankung je gelänge. Der ärgste Schmerz, die fürchterlichste Entstellung, die schwerste Behinderung kann immer noch leichter zu ertragen sein als der Verlust jeglicher Zuversicht, es könnte eines Tages eine Wende zum Besseren eintreten. So werden medizinische Prognosen letztlich zu Prophezeiungen, die sich selbst erfüllen, ähnlich der Unfallvision des Wahrsagers oder der Warnung des Charttechnikers vor "Widerständen" bei Kursentwicklungen. "Hoffnung", so meinte der Philosoph Arthur Schopenhauer einst aufklärerisch, sei "die Verwechslung des Wunsches nach einer Begebenheit mit ihrer Wahrscheinlichkeit" - und verkannte dabei, dass Begebenheiten um so wahrscheinlicher werden, je beharrlicher sich Hoffnung auf sie richtet. Ist es nicht besser, eine Kerze anzuzünden, als an der Dunkelheit zu verzweifeln? Unbeirrbarer Optimismus ist eine weithin unterschätzte therapeutische Größe, die mitentscheidet, welchen Verlauf eine Erkrankung nimmt. Wer um seine Gesundheit kämpft, kann verlieren, gewiss. Doch wer nicht kämpft, hat schon verloren.
All jenen, die sich vom modernen Medizinbetrieb aussortiert fühlen, den sogenannten "Behandlungsresistenten" und "Austherapierten", will ich mit diesem Ratgeber Mut machen. Denn das Wunder ist möglich. Bei nahezu jedem Leiden, in beinahe jedem Stadium, in jedem Alter. Es vollzieht sich immer wieder in den Praxen der fähigsten Geistheiler: einer sonderbaren, zu Unrecht belächelten Sorte von therapeutischen Laienhelfern, die sich allem Anschein nach eine höhere, physikalisch bislang noch unfaßbare Energie zunutze machen können, um Krankheitsverläufe unerwartet günstig zu beeinflussen - oft gegen alle medizinischen Prognosen. Wer nicht mit solchen Wundern rechnet, ist kein Realist. Er ignoriert Fakten.
Aber was heißt hier "Wunder"? Was Heiler bisweilen zustande bringen, setzt die Naturgesetze durchaus nicht außer Kraft; es vollzieht sich im Einklang mit diesen, auch wenn wir sie vorerst nur ansatzweise erahnen mögen. "Wunder", das betonte schon der Heilige Augustinus vor 1600 Jahren, "geschehen nicht im Widerspruch zur Natur, sondern nur im Widerspruch zu dem, was wir von der Natur wissen". Wer vollbringt sie? Jedenfalls nicht die Heiler selbst. Kaum einer von ihnen gibt vor, das Leid von Hilfesuchenden je aus eigener Kraft lindern zu können. Die meisten sehen sich vielmehr als "Kanal" eines höheren Geistes, der durch sie wirkt - als Werkzeuge, derer sich eine göttliche Intelligenz bedient.
Und auch diese geheimnisvolle Kraft bewirkt von alleine überhaupt nichts. Denn sie besteht, entgegen einem gängigen Zerrbild, keineswegs in mysteriösen "Heilstrahlen", die Krankheitsherde irgendwie wegschmelzen, gleich dem Laser eines Mikrochirurgen. Eher ist sie eine Quelle von Impulsen, die ein Patient mit Leib und Seele annehmen, aber auch abweisen und verpuffen lassen kann. Letztlich ist es immer nur der Hilfesuchende selbst, der sich heilen kann. Die Chancen, dass ihm dies in der Obhut eines Geistheilers gelingt, stehen nicht schlecht. Vorausgesetzt, er ist sich im klaren darüber, was ihn erwartet - und was von ihm erwartet wird. Denn fast alles hängt von ihm selbst ab. Er muss sich gründlich vorinformieren. Er muss sorgsam auswählen. Dabei muss er sich im wesentlichen auf seine Intuition, seine Menschenkenntnis und aufmerksame Selbstbeobachtung verlassen, statt dem Hörensagen zu vertrauen. Er darf nicht geschehen lassen, sondern muss mitwirken. Anders gesagt: Auch im Leid darf er nicht aufhören, ein mündiger Bürger zu sein.
Geistheiler – Der Ratgeber soll Hilfesuchende anleiten, sich auf Begegnungen mit Geistheilern bestmöglich vorzubereiten. Mit Antworten auf die häufigsten Fragen, die Patienten bewegen, ehe sie sich auf diese geheimnisvolle Behandlungsform einlassen. Mit vielen Ratschlägen, die sie beherzigen sollten, um von ihr wirklich zu profitieren. Mit Warnungen, die ihnen manch schmerzliche Enttäuschung mit Nichtskönnern und Scharlatanen ersparen können. Mit Bewertungen, die weder hochjubeln noch niedermachen, sondern die Wahrheit dort suchen, wo sie fast immer liegt: in der Mitte.
Dieser Leitfaden fasst zusammen, was ich an Eindrücken und Einschätzungen im Laufe von zehn Jahren gewonnen habe, in denen ich mich mit dem faszinierenden Phänomen des Geistigen Heilens, seinen Anwendern und Klienten befasse. In dieser Zeit habe ich einige hundert Heiler persönlich kennengelernt, bei der Arbeit beobachtet und befragt, beargwöhnt und bewundert. Viele von ihnen stellte ich in wissenschaftlichen Tests und Experimenten mehrfach auf die Probe - mit unterschiedlichem Ausgang; über tausend habe ich wiederholt in Fragebogen-Erhebungen einbezogen, um mir ein Bild von ihrer Arbeitsweise, ihrer Vorgeschichte, ihren Erfolgen zu machen. Um ihren unbestreitbaren Leistungen zu mehr Anerkennung zu verhelfen, habe ich für sie Kongresse organisiert, mehrere Bücher über sie geschrieben, Presse, Funk und Fernsehen für ihre Sache gewonnen, eine Fachzeitschrift herausgegeben, einen Dachverband für Heilerorganisationen ins Leben gerufen.
Mit alledem bin ich, wie ein Journalist kürzlich anmerkte, inzwischen wohl so etwas wie "der Wallraff der Heilerszene" geworden. Da ist etwas dran. Vermutlich ist, zumindest in Deutschland, kein Außenstehender je so lange und intensiv in diese sonderbare esoterische Subkultur eingetaucht, ohne sich von ihr vereinnahmen zu lassen, sondern stets um kritische Distanz bemüht zu bleiben. Und Kritik ist, trotz aller Aufgeschlossenheit, gerade hier dringend geboten - vielleicht zum Ärger mancher allzu euphorischer Fürsprecher, letztlich aber den Hilfesuchenden zuliebe. Muss es nicht zuallererst um sie gehen? Zuviel zu versprechen, wäre ebenso fatal, wie voreilig zu entmutigen.
Dieser Text enthält die ersten Abschnitte des Buchs von Harald Wiesendanger: Geistheiler – Der Ratgeber. Was Hilfesuchende wissen sollten - Ehrliche Antworten auf 51 spannende Fragen (2000, 5. Aufl. 2007)
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