Protokoll des denkwürdigen Tages, an dem meine Familie das „Covid-Testzentrum“ im Frankfurter Flughafen kennenlernte.
„Neue Normalität“, Folge 1001. Vormittags fahre ich hundert Kilometer zum Frankfurter Flughafen, um Frau und Tochter abzuholen. Beide kehren aus der Ukraine heim, einem sogenannten „Risikogebiet“. Also stehen ihnen PCR-Tests bevor. Wieso? Weil dort binnen einer Woche pro 100.000 Einwohner über 50 Neuinfektionen aktenkundig geworden sind. Bei 49 wäre ihnen die Schikane erspart geblieben. Um wie viel Milliardstel Prozent sänke dann ihr persönliches Risiko, wegen Covid-19 auf die Intensivstation oder gar ins Grab zu müssen – oder das Risiko ihrer hiesigen Kontaktpersonen, ein solches Schicksal zu erleiden?
Noch rund 70 km vom Airport entfernt, passiere ich zwei riesige Schilderbrücken, welche die Fahrbahn überspannen. Auf beiden steht: „Aus Risikogebiet? Covid-Test!“ Ich staune. Wer sich das einfallen ließ, versteht offenbar erheblich mehr vom Errichten auffälliger Wechselverkehrszeichen als davon, was er sie anzeigen lässt. Das „d“ in „Covid“ steht für „disease“, Krankheit. Also gibt es neuerdings Corona-Tests, die verraten, ob wir krank sind?
Um die üblichen PCR-Tests kann es sich dabei schwerlich handeln. Dass sie für Diagnosen ungeeignet sind, hat schon ihr Erfinder, der Chemie-Nobelpreisträger Kary Mullis klargestellt; dieselbe Einschänkung schreiben die Hersteller unmissverständlich in die Gebrauchsanleitungen. Was das PCR-Verfahren, mit testüblicher Fehlerquote, bestenfalls ausfindig macht, sind zwei kurze RNA-Abschnitte, die als charakteristisch für das SARS-CoV-2-Virus gelten. Weder verrät es, ob das Virus selbst überhaupt noch aktiv ist – d.h. aggressiv in Zellen eindringt und sich darin vermehrt – oder ob es sich um harmlose Genomschnipsel handelt, die noch bis zu fünf Wochen nach überstandener Infektion im Körper nachweisbar bleiben. Ebensowenig zeigt es die „Viruslast“ an, d.h. die Menge der vorhandenen Erreger. Erst Abermillionen davon machen ihren Wirt überhaupt krank und ansteckend.
Kaum jemandem, der sich folgsam testen lässt, ist das bekannt. Aber zumindest derjenige, der im Januar den PCR-Test in Windeseile in die Welt gesetzt hat, weiß das sehr genau: Deutschlands hochverehrter Chefvirologe Christian Drosten. Warum schweigt er hierüber? Warum tun es seine Fachkollegen?
Kurz hinter der zweiten Covid-Schilderbrücke lege ich auf einer Raststätte eine kurze Pinkelpause ein. In der Toilette empfangen mich, auf sämtliche verfügbaren Wände und Türen verteilt, rund 20 Ermahnungen, die AHA-Regeln einzuhalten. Warum nicht auch noch Fußböden, Decken und Fenster mit Hygienepropaganda vollgeklebt wurden, erschließt sich mir nicht ohne weiteres. Jedes zweite Pinkelbecken ist mit Plastikfolie überklebt – auch beim Pippimachen gilt anderthalb Meter Abstand, an den Waschbecken ebenfalls. An einer Wand hängt ein Desinfektionsmittelspender, dessen Zweck selbst das Robert-Koch-Institut fragwürdig findet; gründliches Händewaschen mit Seife reiche völlig aus, so räumt es ein.
Aus einer Wandhalterung daneben greife ich mir einen knallgelben, A5-formatierten Flyer des Bundesministeriums für Gesundheit heraus. Ihm gelingt es, eine monströse Erpressung auf vier knackige Zeilen zu verdichten: „Abstand + Hygiene + Alltagsmaske – AHA! Diese drei Grundregeln gegen Corona bestimmen den neuen Alltag. Bis es einen Impfstoff gibt. So lange gilt: Je mehr Normalität wir wiederhaben wollen, desto selbstverständlicher müssen diese drei Grundregeln werden. Für uns alle, jeden Tag. Jetzt erst recht.“ Wie vielen Raststättenpinklern fällt wohl auf, was dieser Propagandawisch NICHT sagt? Er stellt klar: Die Pandemie endet NICHT, wenn es um die Volksgesundheit so gut steht wie in den Vorjahren; wenn SARS-CoV-2 nicht mehr Leute krank macht und tötet als die alljährliche Influenza; wenn der politische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Schaden, den die Pandemiebekämpfung anrichtet, in krassem Missverhältnis zum erreichten Nutzen steht; wenn genügend Medizinlaien auf Ministersesseln kapiert haben, dass wir uns anders, billiger, rascher, effektiver, weniger riskant vor dieser Virusinfektion schützen können als mittels unerprobter Vakzine.
Weitere Plakate, die mir Corona-Regeln einschärfen, kleben auf und neben dem Eingang zum Tankstellenshop.
Der Mann an der Kasse belehrt mich unwirsch, meine Maske sitze nicht vorschriftsgemäß. In meinem Rücken murmelt ein wachsamer Hygienestaatsbürger: „So isses!“, aus mindestens zwei Meter Sicherheitsabstand. Der Tankwart selbst präsentiert mir skrupellos sein nacktes Antlitz. Ihn schützt ja eine rund einen Meter breite Plexiglasscheibe, die zwischen ihm und mir hängt. Dass Aerosole voller tödlicher Erreger links und rechts daran vorbeifliegen könnten, beunruhigt ihn nicht. Geldscheine und Münzen lässt er sich von mir aushändigen, ohne sie gewissenhaft zu desinfizieren. Eine Brezel überreicht er mir mit nackten Fingern, vermutlich bereits übersät mit ausgeatmeten Viren jeden Letalitätsgrades.
Und wenn ich das Textil höher zöge? Gerne hätte ich den beiden einen Warnhinweis des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) ausgedruckt: „Einfache Mund-Nasen-Bedeckungen genügen in der Regel nicht den (…) einschlägigen Normanforderungen bzw. haben nicht die dafür gesetzlich vorgesehenen Nachweisverfahren durchlaufen. Sie dürfen nicht als Medizinprodukte oder Gegenstände persönlicher Schutzausrüstung in Verkehr gebracht und nicht mit entsprechenden Leistungen oder Schutzwirkungen ausgelobt werden.“
Im Parkhaus von Airport-Terminal 1, vor und im Lift, in jeder Halle, jedem Gang begegnen mir ausnahmslos vorbildlich regelkonform Maskierte. Laufend wiederholte Lautsprecherdurchsagen halten zu AHA-Gehorsam an. Während der anderthalb Stunden, die ich im Frankfurter Flughafen verbringe, passiert mich 15-mal bewaffnete Polizei, einzeln und in Gruppen.
Am Meeting Point von Hallenabschnitt B2 treffe ich Frau und Tochter. Dass wir einander anlächeln, verbergen Gesichtslappen, ein Begrüßungskuss fällt flach. Argwöhnisch belauern uns zwei Ordnungshüter.
Um eine zweiwöchige Zwangsquarantäne zu vermeiden, begeben sich meine zwei Liebsten schnurstracks zu den PCR-Testern im Airport. Alle paar Meter setzt sich der Etikettenschwindel fort – auf Hinweistafeln, die den Weg zum „Covid-19-Testcenter“ der Firma Centogene weisen.
Vor einem Rachenabstrich müssen sich Frau und Kind online registrieren. Dazu hat Centogene in einem Seitengang mehrere Stehtische aufgebaut. Auf jedem liegt ein aufgeklappter Laptop, daneben lauert eine hilfsbereite Firmenhostess. Eine trägt zwei Atemschutzmasken übereinander. Warum vorsichtshalber nicht eine dritte? Oder besser noch Schutzausrüstung aus einem BSL4-Hochsicherheitslabor?
Wartende haben zwei Meter Sicherheitsabstand vom Tisch zu halten. Ehe man seine Daten eintippen kann, hat man Einweg-Gummihandschuhe überzustreifen. Damit nicht genug: In jeder freien Minute greifen die Centogene-Fräuleins zur Desinfektionsflasche. Damit besprühen sie ihre Handschuhe sowie ein Stück Papier, mit dem sie sorgsam etwaige Killerkeime wegwischen – nicht bloß von der Tastatur, auch vom Monitor und der gesamten Tischfläche. Sicher ist sicher. Wer sich diese alberne Inszenierung einfallen ließ, hat angestrengt darüber nachgedacht, wie man selbst dem begriffsstutzigsten Idioten den Ernst der pandemischen Lage vor Augen führt.
Der Eingang zum „Covid-19-Testzentrum“ wird militärisch bewacht - durch fünf Aufpasser, deren Uniformen sie als Bundeswehrsoldaten ausweisen. Spätestens jetzt ist der optische Beweis erbracht: Wir befinden uns im Krieg.
Und was verdient Centogene mit diesem schwarzen Weiß einer nichtdiagnostischen Krankheitsfeststellung am Fließband? Schon Ende Juli führte das pfiffige Unternehmen 45.000 Tests pro Tag durch. Pro Test fallen für die Gesetzliche Krankenversicherung 35 Euro an. Das spült Tag für Tag über 1,5 Millionen Euro in die Firmenkasse, knapp 50 Millionen Euro pro Monat. Was hätte Centogene Segensreicheres widerfahren können als die nahe Seuchenapokalypse?
Noch am selben Abend gibt Centogene uns per Handy-SMS Entwarnung: Frau und Tochter wurden negativ getestet. Das Bestätigungszertifikat stellt kurioserweise klar: „Es konnte keine Sars-CoV-2-spezifische RNA nachgewiesen werden. Eine Infektion mit SARS-CoV-2 ist mit der angewandten Methode in der untersuchten Probe NICHT nachweisbar“ (mit unterstrichenem „nicht“). Aber wer liest das schon? Wer fragt nach, wozu die Prozedur denn überhaupt stattfindet, wenn selbst derjenige, der sie durchführt, jedem Getesteten schriftlich gibt, dass sie ihren angeblichen Zweck nicht erfüllen KANN?
Sollten sich meine Angehörigen in der Todeszone Ukraine erst in den letzten Tagen vor Abreise angesteckt haben, besitzen sie nun einen Freibrief, sich hierzulande als Superspreader zu betätigen. Der Allererste, den sie unbeaufsichtigt in eine Virenschleuder verwandeln könnten, wäre ich. Ab Infektion dauert es ja ein Weilchen, bis so viel Erreger vorhanden sind, dass der PCR-Test sie aufspüren kann. Sollte man uns, chinesischem Vorbild folgend, vorsichtshalber nicht gleich für mindestens zwei Wochen in ein „Quarantänecamp“ genanntes Corona-Konzentrationslager wegsperren, um einer solch monströsen Gefahr vorzubeugen?
Anderntags hat meine Frau einen Termin bei ihrer Gynäkologin. Vorab bestätigt sie der Praxis telefonisch, dass sie soeben negativ getestet wurde. „Dann darf sie kommen“, erklärt eine Sprechstundenhilfe. „Ein gewöhnlicher Nasen-Mund-Schutz genügt aber nicht. Sie muss unbedingt eine FFP3-Maske tragen, sonst weisen wir sie ab.“
Damit ich die Praxis nicht womöglich zum Kern eines schlimmen „Clusters“ mache und unsere Heimatstadt in Deutschlands nächsten „Hotspot“ verwandle, darf ich meine Frau keinesfalls ins Wartezimmer begleiten, nicht einmal maskiert.
Also gehe ich draußen spazieren. In einer Schaufensterfront fällt mir eine Werbung für „Behelfnasen und Mundmasken“ auf, die „hier im Atelier aufwändig gefertigt wurden“. Die bahnbrechenden Innovationen bieten eine „eingearbeitete Tasche für Filter, Tempo oder Slipeinlage“. Erleichtert atmet Otto Normalversteher auf: Endlich muss er ein Papiertaschentuch nicht erst umständlich aus der Tasche kramen, wenn er sich schneuzen will. Und jede Dame von Welt 2020 schätzt sich glücklich, wenn ihre Nasennerven im blutigen Notfall umgehend signalisieren: „Keine Sorge, ein Always Ultra begleitet dich!“
Aber was fängt ein Mann mit so einer Maskentasche an? Genügend Präservative für 14 Quarantänetage passen da bestimmt rein.
Und wenn Frau und Tochter erst Mitte September aus der Ukraine zurückgekehrt wären? Dann würden sie in den Genuss von Jens Spahns „angepasster“ Teststrategie kommen: Rückkehrer aus Risikogebieten haben sich künftig direkt in häusliche Selbstisolation zu begeben. Diese verlassen dürfen sie erst nach einem negativen Test, der frühestens fünf Tage nach Einreise stattzufinden hat. Anders gesagt: Den Heimkehrer erwartet eine knapp einwöchige Inhaftierung. „Verstärkt kontrolliert“ werde sie, wie Spahn androht.
Wehleidiges Gemecker ist unangebracht. Wer seine Volksgemeinschaft durch unautorisierte Abenteuertrips in virenverseuchte Todeszonen gefährdet, soll gefälligst froh sein, dass er anschließend in den eigenen vier Wänden bleiben darf – und nicht schnurstracks ins Corona-KZ muss. Aber was nicht ist, kann ja noch kommen.
Harald Wiesendanger
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